Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
1. Allgemeines
Rz. 108
Neben Abs. 2 trifft § 7 Abs. 3 StVG eine weitere Ausschlussregelung für die Gefährdungshaftung. Derjenige, der das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters benutzt, ist anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; dieser haftet daneben, wenn die Benutzung des Fahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Die besondere Regelung der Haftpflicht für Schwarzfahrten in § 7 Abs. 3 StVG bezieht sich ausschließlich auf die Frage, inwieweit die Haftungsbestimmung des § 7 Abs. 1 auf den Fall der Schwarzfahrt anwendbar ist. Daneben bleiben auch im Fall der Schwarzfahrt gemäß § 16 StVG die allgemeinen Haftungsbestimmungen des BGB unberührt.
Rz. 109
§ 7 Abs. 3 S. 1 StVG setzt (in Halbsatz 1) die Haftung des unbefugten Benutzers an die Stelle des Halters. Ist die unbefugte Benutzung nicht nur vorübergehender Art, findet ein Halterwechsel statt mit der Folge, dass der unbefugte Nutzer unmittelbar aus § 7 Abs. 1 StVG haftet, ohne dass es insoweit der Anwendung des Abs. 3 bedarf. § 7 Abs. 3 StVG stellt deshalb im Ergebnis, soweit es auf den unbefugten Benutzer ankommt, den Fall der vorübergehenden Entziehung dem der endgültigen gleich und, soweit es auf den die Benutzung schuldhaft ermöglichenden Halter ankommt, umgekehrt den Fall der endgültigen Entziehung dem der vorübergehenden gleich (2. Halbsatz).
Rz. 110
Eine Schwarzfahrt kann niemals in Ausübung einer aufgetragenen Verrichtung geschehen und demgemäß nicht unter § 831 BGB fallen. Sehr wohl kann aber sonst die Haftung für die Schwarzfahrt auch aus § 831 BGB zu folgern sein, nämlich wenn ein Verrichtungsgehilfe des Halters die Schwarzfahrt seinerseits verschuldet hat. Auch greift die Haftung des Geschäftsherrn aus § 831 BGB ein, wenn sein angestellter Fahrer eine Fahrt unter Missachtung bestimmter Weisungen seines Chefs durchführt. Es handelt sich dann noch nicht um eine "Schwarzfahrt". Auch das bewusste und eigenmächtige Zuwiderhandeln gegen Weisungen des Geschäftsherrn stellt das Handeln des Verrichtungsgehilfen noch nicht außerhalb des Kreises der ihm aufgetragenen Verrichtung. Handelt es sich aber um eine "Schwarzfahrt" des angestellten Fahrers, haftet der Halter wegen § 7 Abs. 3 S. 2 StVG unmittelbar (nur) aus der Gefährdungshaftung des Abs. 1. Ein Fahrgast ist als solcher nicht Mittäter der Schwarzfahrt i.S.d. § 830 Abs. 2 BGB. Andererseits ist nicht nur derjenige Schwarzfahrer ("Benutzer" i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 1 StVG), der das Steuer führt, sondern auch der Fahrgast, wenn er die Fahrt veranlasst und sich mithin des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel bedient.
Rz. 111
Eine Haftung aus § 823 BGB kann gegeben sein, wenn ein Verschulden des Halters in ursächlichem Zusammenhang nicht nur mit der unbefugten Benutzung des Kraftfahrzeugs, sondern auch mit dem Unfall selbst steht. Die Rechtsprechung geht außerordentlich weit; grundsätzlich gilt die Schwarzfahrt als eine häufige und daher durchaus adäquate Folge der Einstellung eines unzuverlässigen Fahrers oder der mangelnden Beaufsichtigung des Fahrzeugs und ein Unfall als eine häufige und adäquate Folge einer Schwarzfahrt. Mit Rücksicht auf den typischen Geschehensablauf bei der Erleichterung einer Schwarzfahrt wird hinsichtlich des dem Verletzten obliegenden Nachweises eines Verschuldens i.S.d. § 823 BGB weitgehend der Beweis des ersten Anscheins zugelassen. Die Haftung für Schwarzfahrten wird daher über § 7 Abs. 3 StVG hinaus in weitestem Umfang auch im Rahmen des § 823 BGB bejaht. Bezieht sich das Halterverschulden allerdings allein auf das Ermöglichen der Schwarzfahrt, so haftet der Halter nur nach dem StVG. Erstreckt es sich darüber hinaus aber auch auf die Verkehrsunsicherheit des Fahrzeugs, also auf dessen verkehrsgefährdende und schadensursächliche Benutzung, kommt die Haftung nach den §§ 823 ff. BGB (§ 16 StVG) in Betracht. Diese Voraussetzung ist vor allem dann gegeben, wenn der Wagen durch fahruntüchtige oder unzuverlässige Personen, insbesondere auch Personen ohne Fahrerlaubnis, benutzt wird. Dagegen genügt es nicht, dass das Fahrzeug nicht zugelassen war. §§ 21, 22 StVG gelten als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Infolgedessen muss der Halter sich bei Überlassung des Wagens den Führerschein vorlegen lassen.
Rz. 112
Die Haftung besteht ferner in vielen Fällen aufgrund des § 823 Abs. 2 i.V.m. der Schutzbestimmung des § 14 Abs. 2 StVO. Ein Verlassen des Fahrzeugs i.S.d. § 14 Abs. 2 StVO hängt nicht allein von der räumlichen Entfernung des Kraftfahrzeugführers von seinem Fahrzeug ab. Entscheidend ist vielmehr, ob er sich von dem Fahrzeug in einer Weise entfernt, die ihm die Verhinderung einer unbefugten Benutzung des Fahrzeugs durch sofortiges Eingreifen unmöglich macht. Obwohl § 14 Abs. 2 StVO unmittelbar nur den Fahrer betrifft, gibt er entsprechende Anhaltspunkte auch für die Verpflichtungen des Halters. § 14 Abs. 2 StVG gilt aber nicht als Schutzgesetz zugunsten des Schwarzfahrers selbst.
Rz....