Rz. 61
Zitat
BGB § 249
Im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten kann der Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder freien Fachwerkstatt noch im Rechtsstreit erfolgen, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.
a) Der Fall
Rz. 62
Der Kläger machte nach einem Verkehrsunfall den ihm entstandenen Fahrzeugschaden geltend. Der beklagte Versicherer war unstreitig eintrittspflichtig. Der Kläger hatte eine Reparatur in Eigenregie durchgeführt. Er hatte den Schaden gegenüber der Beklagten fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet. Die Beklagte hatte den Schadensbetrag aufgrund eines eigenen Prüfgutachtens um 1.197,22 EUR gekürzt (davon entfallen 107,40 EUR auf fiktive Verbringungskosten). Vorprozessual hatte sie den Kläger auf günstigere Stundenverrechnungssätze von Referenzwerkstätten verwiesen, ohne diese konkret zu benennen. In erster Instanz hatte sie sodann konkrete Werkstätten benannt, die unstreitig zu den von der Beklagten angesetzten Kosten repariert hätten. Die Parteien stritten darüber, ob der Kläger noch im vorliegenden Rechtsstreit auf die preisgünstigeren Referenzwerkstätten verwiesen werden konnte, ferner über die Ersatzfähigkeit der geltend gemachten fiktiven Verbringungskosten.
Rz. 63
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger den Klageanspruch weiter.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 64
Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Verweisung des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers auf kostengünstigere Referenzwerkstätten im Fall der fiktiven Schadensabrechnung noch im Rechtsstreit möglich. Eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten sei weder im Allgemeinen ersichtlich noch im vorliegenden Fall vorgetragen. Der Kläger trage bereits nicht vor, dass er sich bei einem Hinweis der Beklagten zu einem vor Durchführung der Reparatur gelegenen Zeitpunkt zu einem abweichenden Vorgehen bei der Schadensbehebung entschieden hätte.
Rz. 65
Der Anspruch auf fiktive Verbringungskosten bestehe bereits deshalb nicht, weil der Kläger dazu weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren substantiiert vorgetragen habe.
Rz. 66
Die zulässige Revision hatte keinen Erfolg.
Rz. 67
Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Schädiger den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, war nicht zu beanstanden.
Rz. 68
Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 – Porsche-Urteil [(siehe auch Rdn 1 ff.)]; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 7 f. – VW-Urteil [(siehe auch Rdn 7 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 6 – Audi-Quattro-Urteil [(siehe auch Rdn 34 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 6 – Mercedes-A 170-Urteil [(siehe auch Rdn 39 ff.)]. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder "freien" Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, a.a.O. Rn 12 ff. – VW-Urteil [(siehe auch Rdn 7 ff.)]; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn 9, 11 – BMW-Urteil [(siehe auch Rdn 21 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 7 – Audi-Quattro-Urteil [(siehe auch Rdn 34 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 7 – Mercedes-A 170-Urteil [(siehe auch Rdn 39 ff.)]; v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn 7 – Mercedes-A 140-Urteil [(siehe auch Rdn 47 ff.)]).
Rz. 69
Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen.
Rz. 70
Nach Ansicht des erkennenden Sena...