Rz. 78

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht hatte seine Auffassung, die Klägerin sei zur fiktiven Abrechnung nach den im Gutachten U wiedergegebenen Stundenverrechnungssätzen berechtigt, damit begründet, dass ihr der Prüfbericht der Beklagten nicht rechtzeitig übermittelt worden sei. Dies stand im Widerspruch zur – zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch nicht veröffentlichten – Entscheidung des erkennenden Senats vom 14.5.2013 (VI ZR 320/12, VersR 2013, 876). Danach darf der Schädiger den Geschädigten, der – wie hier – fiktiv abrechnet, unter Umständen noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen.

 

Rz. 79

Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurt. v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 – Porsche-Urteil [siehe auch Rdn 1 ff.)]; v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn 7 f. – VW-Urteil [(siehe auch Rdn 7 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 6 – Audi-Quattro-Urteil [(siehe auch Rdn 34 ff.)]; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 6 – Mercedes-A 170-Urteil [siehe auch Rdn 47 ff.)]). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurt. v. 23.3.1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; v. 29.4.2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder "freien" Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09, a.a.O. Rn 12 ff. – VW-Urteil; v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn 9, 11 – BMW-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn 7 – Audi-Quattro-Urteil; v. 22.6.2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn 7 – Mercedes-A 170-Urteil; v. 13.7.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn 7 – Mercedes-A 140-Urteil).

 

Rz. 80

Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestanden zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils unterschiedliche Auffassungen. Der erkennende Senat hat inzwischen entschieden, dass der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten noch im Rechtsstreit erfolgen kann, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen (Senatsurt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn 10 f.; zustimmend Lemcke, r+s 2013, 359, 360; Witt, NJW 2013, 2818). Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise des Schädigers auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten. Im Hinblick darauf muss auch der Geschädigte, der den Fahrzeugschaden bereits behoben hat, ihn aber weiterhin fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet, mit der Möglichkeit rechnen, dass die Erforderlichkeit des vom Gutachter ermittelten Geldbetrags noch im Prozess von der Gegenseite bestritten wird und sich bei der Überzeugungsbildung des Gerichts, ob der verlangte Geldbetrag der erforderliche Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, ein geringerer zu ersetzender Betrag ergibt (vgl. Lemcke, a.a.O.).

 

Rz. 81

Die Sache war nach den vorstehenden Ausführungen gemäß § 563 Abs. 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses nicht geprüft hatte, ob die Voraussetzungen für einen Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit erfüllt waren.

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