Rz. 137
Art. 11 Abs. 1 und 2 WKRL gebieten eine Erstreckung der Beweislastumkehr in § 477 BGB beim Verbrauchsgüterkauf auf einen Zeitraum von einem Jahr nach Gefahrübergang; "möglich wären sogar zwei gewesen".
a) Verlängerung der allgemeinen Regel
Rz. 138
Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang, womit die Dauer der Beweislastumkehr (vormals sechs Monate) verlängert worden ist, ein "von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b BGB abweichender Zustand der Sache" (vormals "Sachmangel", wobei der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BGH zum vormaligen § 476 BGB [§ 477 BGB neu] in Umsetzung der Faber-Entscheidung des EuGH folgt, wonach für die Beweislastumkehr darauf abgestellt werden muss, dass sich innerhalb der gesetzlichen Frist ein "mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung)" zeigt, so wird nach § 477 Abs. 1 Satz 1 BGB in Umsetzung von Art. 11 Abs. 1 WKRL (als Minimallösung) vermutet (Vermutungsregelung – Beweislast), dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Etwas anderes gilt dann, wenn diese Vermutung mit der Art der Sache oder des mangelhaften Zustands unvereinbar ist.
Beachte
Beim Verkauf lebender Tiere – insbesondere bedeutsam für den Pferdekauf – verbleibt es hingegen nach § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Besonderheiten der Entwicklung und Veränderung von Lebewesen bei der alten Frist von sechs Monaten. Insoweit besteht kein Widerspruch zur WKRL, da die Mitgliedstaaten die Richtlinie für den Kauf lebender Tiere nicht umsetzen müssen (vgl. Art. 3 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b WKRL).
Rz. 139
Hinweis
Die Bezugnahme auf die vertraglichen Anforderungen "nach § 434 oder § 475b BGB" erfassen die subjektiven Anforderungen, die objektiven Anforderungen und die Montageanforderungen.
Rz. 140
Der Gesetzgeber hat davon Abstand genommen, die Beweislastumkehr auf zwei Jahre zu verlängern, eine Möglichkeit die Art. 11 Abs. 2 WKRL eröffnet hätte. Er hat dies damit begründet, dass "je länger sich die Kaufsache im Besitz des Käufers befindet, desto geringer [werde] der Informationsvorsprung des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher über den Zustand der Kaufsache. Da mit fortschreitender Zeit der Einfluss von Verwendung und Lagerung der Kaufsache auf den Zustand der Kaufsache immer weiter zunehmen, wäre es unangemessen, dem Verkäufer die Beweislast aufzuerlegen, nachdem sie der Verbraucher für zwei Jahre in Verwendung hatte".
b) Beweislastumkehr bei vereinbarter dauerhafter Bereitstellung digitaler Elemente
Rz. 141
Ist bei Sachen mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b BGB abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird nach § 477 Abs. 2 BGB (in Umsetzung von Art. 11 Abs. 3 WKRL) vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren (Beweislastumkehr in Bezug auf die digitalen Elemente für den gesamten Zeitraum, mindestens für zwei Jahre).
Damit gibt es keine feste Dauer der Beweislastumkehr; vielmehr genügt die Beweislastumkehr während des Bereitstellungszeitraums (zumindest aber für einen Zeitraum von zwei Jahren seit Gefahrübergang als Mindestfrist). Diese Mindestfrist soll nach der Intention des Gesetzgebers verhindern, dass die Dauer der Beweislastumkehr durch eine Parteivereinbarung zum Bereitstellungszeitraum verkürzt wird.