Rz. 108
Der Rücktritt vom Kaufvertrag im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache vollzieht sich weiter nach Maßgabe von § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB i.V.m. §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB.
Art. 13 Abs. 4 Buchst. a WKRL macht den Rücktritt vom Vertrag allerdings nur vom bloßen Ablauf einer angemessenen Frist abhängig – entgegen der Regelung des § 323 Abs. 1 BGB, wonach der Verbraucher dem Unternehmer eine angemessene Frist gesetzt haben muss (Notwendigkeit einer Fristsetzung).
Rz. 109
Eine Vertragsbeendigung nach der WKRL ist nicht möglich, wenn die Nacherfüllung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zwar im Ergebnis erfolgreich vorgenommen worden ist, sie aber
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nicht unentgeltlich, |
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nicht innerhalb angemessener Frist bzw. |
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nicht ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Käufer erfolgt ist. |
§ 475d Abs. 1 Satz 1 BGB schließt daher die Anwendbarkeit von
für Verbrauchsgüterkaufverträge i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB aus.
Rz. 110
Für einen Rücktritt beim Verbrauchsgüterkauf einer Ware bedarf es nach § 475d Abs. 1 BGB (in Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 Buchst. a–d WKRL, der die Abhilfen bei Vertragswidrigkeit vorgibt) der in § 323 Abs. 1 BGB bestimmten Fristsetzung zur Nacherfüllung abweichend (unter Ausschluss) von § 323 Abs. 2 und § 440 BGB (Anwendungsausschluss) nicht mit der Folge, dass der Verbraucher hier dem Unternehmer keine Gelegenheit (Fristsetzung) zur Nacherfüllung geben muss (d.h. ohne Fristsetzung bzw. Fristablauf), sondern gleich vom Vertrag zurücktreten (bzw. wegen der Kopplung des Minderungs- an das Rücktrittsrecht nach § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB, mindern) kann (mithin gleich zu den Sekundärrechten übergehen kann).
Rz. 111
Ein sofortiger Rücktritt wegen des Mangels der Ware – unabhängig vom allgemeinen Kaufrecht – ist nach § 475d Abs. 1 BGB in fünf Situationen ohne Fristsetzung möglich, nämlich
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wenn der Unternehmer die Nacherfüllung (Beseitigung des Mangels, Rücknahme der ersetzten Sache und Erstattung der Aus- und Einbaukosten) trotz Ablaufs einer angemessenen Frist (die sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt) ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat (Nr. 1: Nichtvornahme der Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist). Nr. 1 setzt Art. 13 Abs. 4 Buchst. a 1. Alt. WKRL um: Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Verbraucher den Unternehmer über den Mangel unterrichtet hat, wobei die Richtlinie ihrem Wortlaut nach noch nicht einmal den Ablauf einer "angemessenen Frist" vorgibt (einem Redaktionsversehen, vgl. Erwägungsgrund Nr. 50 Satz 2 f. der WKRL, wonach "Sekundärrechte des Käufers sehr wohl grundsätzlich vom erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist abhängen" sollen), und schon gar nicht, dass der Verbraucher diese Frist dem Unternehmer auch gesetzt haben muss. Insoweit konnte bei der Richtlinienumsetzung auch nicht am Erfordernis einer Fristsetzung durch den Verbraucher festgehalten werden. Vgl. § 475 Abs. 5 BGB, wonach der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer "angemessenen Frist" ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat, wobei die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen sind; |
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wenn sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt (Nr. 2: erfolglose Nacherfüllung). In Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 Buchst. b WKRL: Der Mangel besteht fort, oder der Unternehmer hat im Rahmen der Nacherfüllung einen anderen Mangel verursacht, ob der Verbraucher bereits nach "einem" fehlgeschlagenen Nacherfüllungsversuch zurücktreten darf, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art und dem Wert der Kaufsache sowie Art und Bedeutung des Mangels (mit korrespondierendem Abgehen von § 440 Satz 2 BGB: zwei fehlgeschlagene Nacherfüllungsversuche nach bisherigem Recht). "Es gibt also keine festgesetzte Versuchsanzahl mehr, die dem Unternehmer für sein "Recht zur zweiten Andienung" zusteht"; |
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wenn der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist (Nr. 3: besonders schwerwiegender Mangel). In Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 Buchst. c WKRL, was in Abwägung der widerstreitenden Interessen von Verbraucher und Unternehmer im Einzelfall zu bestimmen ist; vgl. auch den Begriff "schwerwiegende Vertragsverletzung" in Erwägungsgrund Nr. 65 der Digitale Inhalte-Richtlinie: "So sollte der Verbraucher bspw. das Recht haben, unmittelbar die Beendigung des Vertrags oder eine Preisminderung zu fordern, wenn ihm ein Antivirenprogramm bereitgestellt wird, das selbst mit Viren infiziert ist, da dies eine solche schwerwiegende Vertragswidrigkeit darstellen würde"); |
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wenn der Unternehmer die "gemäß § 439 Abs. 1 oder 2 oder § 475 Abs. 5 BGB ordnungsgemäße Nacherfüllung |