Rz. 89
Eine Sache mit digitalen Elementen entspricht nach § 475b Abs. 4 BGB in Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 WRKL ("unabhängig davon, ob diese vernetzt sind, mit dem Internet verbunden sind oder auf anderem technischen Wege ein Fernzugriff erfolgen kann") den objektiven Anforderungen, wenn
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sie den (allgemeinen) Anforderungen des § 434 Abs. 3 BGB entspricht (Nr. 1) und |
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dem Verbraucher während des Zeitraums (Dauer, für die nach den Umständen des Einzelfalls verschiedene Aspekte maßgeblich sein können, z.B. Werbeaussagen, zur Herstellung der Kaufsache verwendete Materialien oder der Preis, auch die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer i.S.d. "lifecycle"), den er aufgrund der Art und des Zwecks der Sache und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags (objektiv) erwarten kann (Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers),
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Aktualisierungen bereitgestellt (i.S.v. § 327b Abs. 3 BGB) werden (insbesondere auch Sicherheitsupdates), die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache (objektiv) erforderlich sind (Umfang, geschuldet sind nur funktionserhaltende Aktualisierungen, keine funktionserweiternden Upgrades [keine Verbesserungen oder Funktionserweiterungen]) und (kumulativ) |
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der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird (Notwendigkeit einer Information des Verbrauchers – Informationspflicht) (Nr. 2). |
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Rz. 90
Bereitstellung und Information sind kumulativ für eine Mangelfreiheit erforderlich, weshalb "bereits eine unterbliebene Mitteilung einen Sachmangel begründen (kann)".
Fehlt das Erfordernis "Information", hat der Verbraucher jedoch von einer erforderlichen und auch bereitgestellten Aktualisierung schon anderweitig Kenntnis erlangt (zufällige Kenntniserlangung), soll nach Wilke ein Nacherfüllungsanspruch bzw. die Geltendmachung von Sekundärrechten in Bezug auf die Aktualisierung "wenig sinnvoll" sein – wenngleich sich "nicht einfach Mangelfreiheit durch (…) zufällige Informationserlangung annehmen (lässt)": Da Art. 7 Abs. 3 WKRL dem Verkäufer ausdrücklich die Verantwortung für die Informationserteilung auferlegt, begründet eine zufällige Kenntniserlangung "Zweckerreichung" i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge, dass
ausgeschlossen sind.
Rz. 91
Der Erfüllungsanspruch auf Bereitstellung setzt § 445a Abs. 1 BGB voraus und ist aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB (allgemeine Verpflichtung des Unternehmers zu mangelfreier Leistung) ableitbar.
Rz. 92
Der Zeitpunkt und die Form und wie schnell der Informationspflicht in Bezug auf neue Aktualisierungen gegenüber dem Verbraucher zu genügen ist, "hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist anhand eines objektiven Maßstabs zu bestimmen". Dabei können Aussagen in der Werbung, der Preis, bei der Herstellung verwendete Materialien, der lifecycle (Lebenszyklus) der Sache, deren andauernder Vertrieb und das Ausmaß potentieller Risiken beim Ausbleiben einer Aktualisierung Berücksichtigung finden.
Nach Erwägungsgrund 31 der WKRL entspricht der vom Verbraucher erwartete Zeitraum mindestens dem Zeitraum der Mängelhaftung (d.h. einer zweijährigen Verjährungsfrist von Mängelansprüchen beim Verbrauchsgüterkauf), wobei bei sicherheitsrelevanten Aktualisierungen auch ein längerer Zeitraum denkbar ist.
Rz. 93
Der Unternehmer muss die Bereitstellung (i.S.v. § 327b Abs. 3 BGB [vorstehende Rdn 86], Aktualisierung und kumulativ Information des Verbrauchers) nicht in Person leisten. Diese Pflichten können nach § 267 BGB grundsätzlich auch durch einen Dritten (bspw. einen Hersteller) erbracht werden. "Die Aktualisierung selbst wird häufig von Dritten stammen, für deren Leistung nun der Verkäufer haftet".
Rz. 94
Dauer und Umfang der Aktualisierungsverpflichtung nach § 475b Abs. 4 BGB sind (anders als bei den subjektiven Anforderungen auf der Grundlage der vertraglichen Parteivereinbarung gemäß § 475b Abs. 3 BGB) objektiv zu bestimmen.
Rz. 95
Die Aktualisierungsverpflichtung ist grundsätzlich abdingbar, wenngleich bei Verbrauchsgüterkaufverträgen dann aber die besondere Form des § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB einzuhalten ist.