Rz. 53
Da das Unterhaltsrecht trotz seiner Vielgestaltigkeit in relativ wenigen Normen geregelt ist, erfährt es seine Ausgestaltung in besonderem Maße durch die Rechtsprechung. Die damit einhergehende Gefahr, dass sich die Rechtsprechung durch Verweis auf vorangegangene Entscheidungen von der Absicht des Gesetzgebers wegentwickelt, rechtfertigt, die Begründung zum Gesetzesentwurf in Erinnerung zu bringen.
Aufgrund des verstärkten Grundsatzes der Eigenverantwortung formuliert die Begründung zum Gesetzentwurf unter B, zu Artikel 1, zu Nummer 3, zu Satz 2:
Zitat
"Bei der Auslegung von § 1570 BGB, des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt, wird dies etwa dazu führen, dass das bisherige, von der Rechtsprechung entwickelte "Altersphasenmodell", ab welchem Alter des Kindes dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB [65. Aufl. 2006], § 1570 Rn 9 ff.), neu zu überdenken und zu korrigieren ist. Künftig wird verstärkt darauf abgestellt werden müssen, inwieweit aufgrund des konkreten Einzelfalles und der Betreuungssituation vor Ort von dem betreuenden Elternteil eine (Teil-) Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung erwartet werden kann. Dies wird durch die Änderung von § 1570 BGB unterstrichen."
Begründung zum Gesetzentwurf B, zu Artikel 1, zu Nummer 4:
Zitat
"Die Möglichkeiten der Fremdbetreuung von Kindern haben – ungeachtet regionaler Unterschiede und einzelner, bestehender Angebotslücken – insgesamt stark zugenommen; die Ausübung insbesondere einer Teilzeittätigkeit neben der Kindererziehung ist heute vielfach Realität. Diese Entwicklung ist bei der Beurteilung der Frage, inwieweit dem geschiedenen Elternteil neben der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist, angemessen zu berücksichtigen. Anstelle der bisherigen, häufig sehr schematisierenden Betrachtungsweise anhand des tradierten "Altersphasenmodells" ist stärker auf den konkreten Einzelfall und tatsächlich bestehende, verlässliche Möglichkeiten der Kinderbetreuung abzustellen. Bedeutung erlangt dies weniger bei Kleinkindern… Eine Berücksichtigung ist aber grundsätzlich bei den über dreijährigen Kindern geboten. Bei der konkreten Anwendung der Norm ist darauf Bedacht zu nehmen, dass nur "bestehende" Möglichkeiten der Kinderbetreuung Berücksichtigung finden sollen. Die Möglichkeit einer Fremdbetreuung muss tatsächlich existieren, zumutbar und verlässlich sein und mit dem Kindeswohl im Einklang stehen. Die Kosten der Kinderbetreuung sind bei der Unterhaltsberechnung angemessen zu berücksichtigen."
Die ergänzende Begründung zur letztlich beschlossenen Fassung lautet (Zu Nummer 1 Buchstabe a):
Zitat
Die Änderung trägt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.2.2007 Rechnung (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007, 1735). In ihr wurde die Verfassungswidrigkeit der derzeit noch unterschiedlichen Dauer von Unterhaltsansprüchen für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder festgestellt. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen der Betreuung des Kindes richtet sich künftig nach denselben Grundsätzen und ist gleich lang ausgestaltet. Darüber hinaus sieht der neu eingefügte Absatz 2 eine besondere Verlängerungsmöglichkeit vor. Diese besteht unabhängig vom Wohl des Kindes, das bei der Bestimmung der Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen der Betreuung eines Kindes nach Absatz 1 maßgeblich ist. Sie rechtfertigt sich vielmehr aus der nachehelichen Solidarität. Entscheidend dafür sind die tatsächliche Gestaltung der Kinderbetreuung und der Erwerbstätigkeit durch die Ehegatten sowie die Dauer der Ehe, die im Einzelfall eine Verlängerung rechtfertigen können. Mit diesem Anspruch, der sich gleich einem Annexanspruch an den Betreuungsunterhalt gemäß Absatz 1 anschließen kann, wird der besondere Schutz der Ehe zum Ausdruck gebracht, wie ihn auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschl. v. 28.2.2007 anerkennt (BVerfG, FamRZ 2007, 965 [970 Rn 58]). Mit § 1570 Abs. 1 in seiner neuen Fassung wird der Betreuungsunterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten neu strukturiert. Der betreuende Elternteil hat künftig Anspruch auf einen zeitlichen "Basisunterhalt"; dieser Anspruch wird über eine Dauer von mindestens drei Jahren nach der Geburt des Kindes gewährt (§ 1570 Abs. 1 Satz 1). In den ersten drei Lebensjahren des Kindes hat der geschiedene Ehegatte – ebenso wie der nicht verheiratete Elternteil – im Falle der Bedürftigkeit stets einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Die betreuende Mutter oder der betreuende Vater können sich also auch dann, wenn eine Versorgung durch Dritte möglich wäre, frei dafür entscheiden, das Kind selbst zu betreuen. Die Drei-Jahres-Frist ist im Regelfall mit dem Kindeswohl vereinbar (vgl. Puls, FamRZ 1998, 865 [870 f.]; BVerfG, FamRZ 2007, 965 [972 f. Rn 73, 77]). Mit ihr wird, genauso wie dies bereits beim geltenden § 1615l Abs. 2 Satz 3 BGB der Fall ist, an zahlreiche sozialstaatliche Leistungen und Regelungen angeknüpft, insbesondere also an den Anspruch des Kindes auf einen...