Rz. 36

§ 1570 Abs. 2 BGB ist erst zu prüfen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 verneint wurden.

 

BGH, Urt. v. 17.6.2009 – XII ZR 102/08

Soweit die Betreuung eines Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils auch elternbezogene Gründe entgegenstehen (BGH, Urteile vom 6.5.2009 – XII ZR 114/08, FamRZ 2009, 1124, 1127 Tz. 36; vom 18.3.2009 – XII ZR 74/08, FamRZ 2009, 770, 773 Tz. 31 f. und vom 16.7.2008 – XII ZR 109/05, FamRZ 2008, 1739, 1748 f.).

Solche elternbezogenen Gründe sind schon nach der Systematik des § 1570 BGB allerdings erst nachrangig zu prüfen, soweit nicht schon kindbezogene Gründe einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen.

 

BGH, Urt. v. 8.8.2012 – XII ZR 97/10 Tz. 20

Soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist oder dieses im Hinblick auf seine Entwicklung zeitweise sich selbst überlassen werden kann, verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 2 BGB). Insoweit können einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils elternbezogene Gründe entgegenstehen (Urteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 31 f. und vom 16.7.2008 – XII ZR 109/05, FamRZ 2008, 1739 Rn 100). Diese Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts rechtfertigen sich aus der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. So kann etwa einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte (BT-Drucks 16/6980 S. 9). Unter diese Ausprägung des Betreuungsunterhalts fällt nach der Rechtsprechung des Senats auch der Gesichtspunkt, dass die verlangte oder ausgeübte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Fremdbetreuung eines Kindes verbleibenden Anteil an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreffenden Elternteils führen darf (Urteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 32).

 

Rz. 37

Voraussetzung für § 1570 Abs. 2 BGB ist zunächst, dass im Zeitpunkt der Scheidung noch ein gemeinsames Kind betreut wird.

Anspruchsvoraussetzung sind durch die nacheheliche Solidarität bedingte, also ehebezogene Billigkeitsgründe (bei § 1615l Abs. 2 S. 5 BGB sind dies elternbezogene Gründe) (Stichworte: Vertrauen in eine praktizierte oder vereinbarte Rollenverteilung; Ehedauer; Betreuung mehrerer Kinder).

 

BGH, Urt. v. 30.3.2011 – XII ZR 3/09

Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist hingegen Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung (BT-Drucks 16/6980 S. 9). Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 Abs. 2 BGB). Die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils darf neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tageseinrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen (Urteile vom 17.6.2009 – XII ZR 102/08, FamRZ 2009, 1391 Rn 32 und BGHZ 177, 272 = FamRZ 2009, 1739 Rn 103). Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils auch während der Zeit der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist (Urteile vom 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880; vom 6.5.2009 – XII ZR 114/08, FamRZ 2009, 1124 Rn 37 und BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 32).

Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus Vertrauensgesichtspunkten kommt nur in Betracht, wenn der betreuende Elternteil das Kind neben der Betreuung in der Schule oder in weiteren kindgerechten Einrichtungen tatsächlich persönlich betreuen muss (Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rn 32). Dann ist allerdings auch zu prüfen, ob der betreuende Elternteil durch seine Erwerbstätigkeit und den verbleibenden Teil der persönlichen Betreuung überobligationsmäßig belastet wird (Urteile vom 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880 Rn 30 und BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 Rn 103 f.).

 

BGH, Urt. v. 17.6.2009 – XII ZR 102/08

Die Umstände (Rollenverteilung, Ausgestaltung der Kinderbetreuung) gewinnen durch das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehun...

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