Rz. 54

F verlangt von ihrem Ehemann M – nach erfolgter Scheidung bzw. im Rahmen des Scheidungsverfahrens – nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt für das gemeinsame siebenjährige Kind K, das von ihr betreut wird. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 2.000 EUR. F hat kein Einkommen. Wegen der Betreuung des Kindes ist sie nicht berufstätig.

I. Kindesunterhalt

 

Rz. 55

Ist neben Kindern auch ein Ehegatte unterhaltsberechtigt, so ist zunächst der Kindesunterhalt zu errechnen. In einem zweiten Schritt ist der Ehegattenunterhalt zu berechnen, wobei dann zunächst der Kindesunterhalt vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist.

 

Rz. 56

Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle (DT). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 (siehe § 1 Rdn 1 ff.) verwiesen.

 

Rz. 57

M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.000 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 2 (1.901 – 2.300 EUR) zur Anwendung. Es sind 2 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Eine Höher- oder Herabstufung ist deshalb nicht geboten; die DT geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus.

 

Rz. 58

Kind K ist 7 Jahre alt, es fällt also in die Altersstufe 2. Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 478 EUR. Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen. Der Unterhalt für K beträgt somit 368,50 EUR (478 – 109,50 EUR).

II. Ehegattenunterhalt

1. Anspruchsgrundlage

 

Rz. 59

Im Fallbeispiel wird ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (vgl. hierzu Fall 19, siehe § 4 Rdn 1 ff.) angenommen.

2. Bedarf

 

Rz. 60

Wegen Vorwegabzug des Kindesunterhalts sind 368,50 EUR (der Zahlbetrag, nicht der Tabellenbetrag) vom Einkommen des M abzuziehen.

 

BGH, Urt. v. 27.5.2009 – XII ZR 78/08

Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts ist nur der nach bedarfsdeckender Anrechnung des Kindergelds verbleibende Unterhaltsanspruch, also der Zahlbetrag, vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen ist. Denn nur insoweit wird das für den Ehegattenunterhalt verfügbare Einkommen des Unterhaltspflichtigen geschmälert.

Im Fallbeispiel ergibt sich:

2.000 EUR – 368,50 EUR = 1.631,50 EUR

Diese 1.631,50 EUR sind für den Ehegattenunterhalt maßgebend.

 

Hinweise

1. Der Vorwegabzug erfolgt jedoch nur bezüglich des Kindesunterhalts, der die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, nicht bezüglich des Unterhalts für Kinder aus zweiter Ehe (vgl. hierzu Fall 41 Rdn 6 ff.). Soweit ein Vorwegabzug von nicht prägendem Kindesunterhalt unterbleibt, wirkt dies zwar für die erste Ehefrau bedarfserhöhend, es ändert jedoch nichts daran, dass der Kindesunterhalt vorrangig ist, wenn sich im Weiteren herausstellt, dass die finanziellen Mittel nicht dafür ausreichen, alle Unterhaltspflichten zu erfüllen.
2. Der Vorwegabzug erfolgt selbst dann, wenn dies dazu führt, dass der Kindesunterhaltspflichtige danach weniger hat als der betreuende Elternteil und dadurch einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt erlangt (BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15 Rn 16).
 

Rz. 61

Es gilt der Halbteilungsgrundsatz. Zunächst ist jedoch – als Erwerbsanreiz – vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit der 10 %ige Erwerbstätigenbonus (vgl. hierzu Fall 15, siehe § 3 Rdn 1 ff.) abzuziehen.

 

Hinweis

Der Erwerbstätigenbonus hat nur Bedeutung für die Berechnung des bedarfsbestimmenden Einkommens, also letztlich für die Berechnung des Bedarfs der Ehegatten. Er hat keine Bedeutung für den Selbstbehalt, also die Leistungsfähigkeit.

 

Beispiel:

Hat M ein Einkommen von 1.400 EUR, so beträgt das bedarfsbestimmende Einkommen 1.260 EUR (1.400 – 140 EUR). Gleichwohl ist M in Höhe von 120 EUR leistungsfähig, da er ein Einkommen von 1.400 EUR hat und sein Selbstbehalt gegenüber dem Ehegatten 1.280 EUR beträgt.

 

SüdL

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 […]

15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen bei der Bedarfsermittlung, nicht bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners).

[…]

Vgl. auch Nr. 15.2 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien

Im Fallbeispiel bedeutet dies:

Erwerbstätigenbonus des M: 1.631,50 EUR × 10 % = 163 EUR

Bedarfsbestimmendes Einkommen des M: 1.631,50 – 163 EUR = 1.468,50 EUR

Bedarf der F = ½ aus 1.468,50 = 734 EUR

 

Rz. 62

Der Mindestbedarf von F von 960 EUR ist nicht gewahrt.

 

BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08

Die Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mindestbedarf sprechen, gelten in gleicher Weise auch für den gesamten Ehegattenunterhalt. Auch insoweit kann der Bedarf das Existenzminimum nicht unterschreiten. Soweit der Senat darauf abgestellt hat, dass ein pauschalierter Mindestbedarf den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden individuellen Bedarf nicht übersteigen dürfe (BGH Urt. v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, FamRZ 1997, 806), ist zu berücksichtigen, dass die Ehegatten auch in ihrer Ehezeit jedenfalls einen Mindestlebensstandard in Höhe des Existenzminimums hatten.

 

Rz. 63

Eine Herabstufung beim Kindesunterhalt in die Einkommensgruppe 1 ist deshalb gebo...

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