Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 233
Das Vermögensverzeichnis soll möglichst umfassend und erschöpfend Auskunft über alle Vermögenswerte des Schuldners geben. Von der Zweckrichtung des Vermögensverzeichnisses ausgehend, dem Gläubiger Möglichkeiten des Zugriffs auf diese Vermögenswerte zu schaffen, muss die Auskunft so beschaffen sein, dass der Gläubiger alle Informationen erhält, die notwendig sind, um unmittelbare Vollstreckungsanträge zu stellen.
Rz. 234
Erfüllt das Vermögensverzeichnis diese Anforderungen nicht, ist der Gläubiger berechtigt, die Ergänzung bzw. Nachbesserung zu verlangen. Der Anspruch hierauf ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich unmittelbar aus der Vermögensauskunftspflicht nach § 802c ZPO, wonach das Vermögensverzeichnis vollständig und richtig sein muss und nur dies im Zusammenspiel mit § 802d ZPO dazu führt, dass der Schuldner über zwei Jahre bei unveränderten Verhältnissen kein neues Vermögensverzeichnis vorlegen muss. Der Gläubiger ist stets verpflichtet, um Nachbesserung beim Gerichtsvollzieher nachzusuchen. Nur gegen die Ablehnung der Ergänzung bzw. Nachbesserung ist die Erinnerung nach § 766 ZPO eröffnet.
Rz. 235
Der Antrag unterfällt nicht dem Formularzwang. Das herkömmlich verwendete und dem Schuldner mit der Ladung zu übersendende Formular stellt nur eine Hilfe für den Schuldner dar. Eine abschließende Regelung, welche Angaben zum Vermögen zu machen sind, ist damit nicht verbunden. Hierfür sind allein §§ 802c und d ZPO maßgeblich. Dies gilt umso mehr, als in Literatur und Rechtsprechung weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die amtlichen Vordrucke nicht geeignet sind, die vollständige Abgabe eines Vermögensverzeichnisses sicherzustellen. Auch die Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen erkennen dies an, wenn in § 136 Abs. 1 S. 3 GVGA von weiteren Fragen des Gläubigers gesprochen wird, die er dem Schuldner zur Beantwortung übersenden soll und in § 138 Abs. 1 S. 4 GVGA dem Gläubiger das Fragerecht eingeräumt wird. Da die Fallzahlen der Gerichtsvollzieher diesem kaum eine individuelle Ergänzung des Vermögensverzeichnisses erlauben, liegt es an dem Gläubiger, durch gezielte Fragen über den amtlichen Vordruck hinausgehende oder diesen ergänzende Fragen zu stellen.
Rz. 236
Beispiel
Nimmt der Schuldner bei der wiederholten Abnahme der Vermögensauskunft innerhalb der Sperrfrist Bezug auf mehrere (im entschiedenen Fall: drei) vorherige Vermögensverzeichnisse aus anderen Verfahren, die miteinander durch Bezugnahmen verkettet sind und die sich teilweise widersprechen, Bezug, ist die neue eidesstattliche Versicherung mangels Klarstellung, welche Angaben gelten sollen, widersprüchlich, lückenhaft und ungenau. Kann zudem nicht festgestellt werden, dass der Gerichtsvollzieher die einzelnen Fragen und Antworten mit dem Schuldner durchgesprochen und erörtert hat, muss der Schuldner das Vermögensverzeichnis auf Antrag des Gläubigers ohne ein neues Verfahren nachbessern und vervollständigen.
Rz. 237
Die zusätzlichen Fragen bzw. die Nachfragen – regelmäßig in Gestalt eines ganzen Fragenkatalogs – müssen auf den konkreten Fall bezogen sein. Die Übersendung pauschaler Fragenkataloge soll dagegen unzulässig sein. Die Tendenz der Gerichte, einen derartigen Fragenkatalog auf nur einige wenige (wie viele genau?) zu beschränken, ist zu missbilligen; es geht nicht um die ungestörte Arbeit des Gerichtsvollziehers, sondern um die Effizienz der Zwangsvollstreckung. Die Zulässigkeit von Fragen des Gläubigers richtet sich somit danach, was mithilfe des Verfahrens der Vermögensauskunft erreicht werden soll, also die volle Befriedigung des Gläubigers. Infolgedessen sind grundsätzlich alle Fragen zulässig, die der Auffindung von konkreten vollstreckbaren Vermögensgütern dienen. Dabei dürfen im Hinblick auf §§ 802c, d ZPO die Anforderungen an die Darlegungen des Gläubigers nicht überspannt werden. Ausreichend ist die Möglichkeit der Aufdeckung einer Vollstreckungsoption. Über den Fragenkatalog des verwendeten Vordrucks hinausgehende Fragen sind im Sinne einer effektiven Zwangsvollstreckung, die den Anforderungen des Art. 14 GG entspricht, dann zuzulassen, wenn sie nicht offensichtlich auf Ausforschung der allgemeinen Lebensverhältnisse angelegt sind. Dies ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn der Gläubiger darlegen kann, dass ihm eine Antwort des Schuldners eine weitere Vollstreckungsmöglichkeit eröffnen kann. Unerheblich ist, mit welchem Aufwand die Fragen zu beantworten sind, insbesondere müssen die Fragen nicht so gestellt sein, dass der Schuldner lediglich mit Ja oder Nein antworten kann. Über die Zulässigkeit der Fragen entscheidet der Gerichtsvollzieher; das kann im Termin selbst etwa in der Weise geschehen, dass er eine entsprechende Frage übergeht, eine förmliche Zurückweisung ist dafür nicht erforderlich.
Rz. 238
Hinweis
Das Nachbesserungsverfahren hat für den Gläubiger darüber hinaus den Vorteil, dass der Gerichtsvollzieher nach § 7 GvKostG hierfür keine...