Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 149
Der Sperrfrist nach § 802d Abs. 1 S. 1 ZPO kommt keine absolute Bedeutung zu. Vielmehr ist der Schuldner zur erneuten Abgabe der Vermögensauskunft vor Ablauf der Zweijahresfrist verpflichtet, wenn der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen.
Rz. 150
Die Tatsachen, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen, müssen gem.§ 294 ZPO glaubhaft gemacht sein; bloße Vermutungen ohne konkreten Anhalt genügen nicht. Ausreichend ist es, wenn der Gläubiger (konkrete) Umstände glaubhaft macht, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass der Schuldner Vermögen in einem Umfang erworben hat, der einen erfolgreichen Pfändungszugriff wahrscheinlich erscheinen lässt. Es genügt, wenn der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf einen Lebenswandel des Schuldners schließen lassen, der ein gewisses Einkommen oder Vermögen voraussetzt. Wesentliche Ansatzpunkte können sich hier für den Gläubiger aus den sozialen Netzwerken ergeben, etwa wenn der Schuldner angibt, einen kostenintensiven Urlaub – etwa im Ausland – gemacht oder ein Motorrad oder einen Pkw erworben zu haben.
Rz. 151
Anerkannt ist, dass bei einer beruflichen Veränderung des Schuldners grundsätzlich die vorzeitige Abgabe der Vermögensauskunft gefordert werden kann. Dieses gilt auch bei der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit, da der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran hat, die neue Erwerbsquelle des Schuldners zu erfahren. Hierunter ist jeder Verlust einer bisher bestehenden Einkommens- bzw. Erwerbsmöglichkeit zu verstehen, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich bei der bisherigen Tätigkeit um eine selbstständige oder eine unselbstständige Tätigkeit gehandelt hat.
Rz. 152
Checkliste: Zulassung der vorzeitigen Abnahme der Vermögensauskunft (1)
Umstand, der Vermögenserwerb begründet |
Nachweis/Glaubhaftmachung |
Ein naher Angehöriger des Schuldners stirbt, sodass der Vermögenserwerb durch Erb-, Pflichtteils- oder Vermächtnisansprüche in Betracht kommt. |
Hinweis auf die Nachlassakten |
Der Schuldner zahlt in schneller Folge mehrere Teilbeträge. |
Vorlage der Zahlungsbelege |
Der Schuldner meldet einen Gewerbebetrieb an. |
Bescheinigung von IHK, HWK oder Auszug aus dem Handelsregister |
Der Schuldner führt einen selbstständigen Gewerbebetrieb mit wechselnder Kundschaft, gegen die entsprechende Forderungen entstehen, wobei zumindest eine Frist von sechs Monaten abzuwarten sein wird. Gleiches gilt bei einem Zahnarzt, der in der e.V. hohe Forderungs- und Auftragsbestände angibt, sieben Monate nach deren Abgabe. |
Aktueller Auszug aus dem Gewerbe- bzw. Handelsregister |
Die Auflösung eines bei Abgabe der ersten eidesstattlichen Versicherung bestehenden Kontos; jedenfalls insoweit, wie es sich um das einzige Konto des Schuldners gehandelt hat und er nicht angibt, dass er das Konto eines Dritten nutzt. |
Drittschuldnererklärung der bisher kontoführenden Bank |
Selbstständiger Gewerbetreibender (Unternehmer) hat seinen Betrieb oder der freiberuflich tätige Schuldner hat seinen Beruf aufgegeben. Aufgabe einer Nebentätigkeit reicht nur aus, wenn sie einen bedeutenderen Umfang hatte. |
Aktueller Auszug aus dem Gewerbe- bzw. Handelsregister |
Die GmbH, deren Geschäftsführer (und Alleingesellschafter) der Schuldner war, wurde im Handelsregister gelöscht oder mit Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. |
Aktueller Auszug aus dem Gewerbe- bzw. Handelsregister |
Schuldner ist bei der Agentur für Arbeit nicht mehr gemeldet; er bezieht kein Arbeitslosengeld mehr; Ablauf befristeter Arbeitslosenhilfe. |
Zeugenaussagen (Nachbarn/Freunde/Verwandte) |
Der Schuldner ist in eine neue Mietwohnung umgezogen, da in diesem Fall nicht auszuschließen ist, dass er bei seinem neuen Vermieter eine Mietkaution hinterlegen musste und somit neues pfändbares Vermögen in Form des Kautionsrückzahlungsanspruches erworben hat. |
Melderegisterauskunft |
Rz. 153
Dagegen hat die Rechtsprechung die nachträgliche Eheschließung der Schuldnerin nicht ausreichen lassen. Dies übersieht allerdings, dass der Schuldnerin nun ein ggf. pfändbarer Taschengeldanspruch zustehen kann, der pfändbares Vermögen darstellt. Dieser Taschengeldanspruch wird erst mit der Eheschließung erworben und stellt in diesem Sinne ein neuer Vermögenserwerb dar. Die Entscheidung kann mithin nicht überzeugen.
Rz. 154
Die Vermögensauskunft war schon nach bisherigem Recht auch dann vor Ablauf der Sperrfrist erneut abzugeben, wenn ein vormals bestehendes Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde.
Rz. 155
Checkliste: Zulassung der vorzeitigen Abnahme der Vermögensauskunft (2)
Verlust der Erwerbsmöglichkeit |
Nachweis |
Der Schuldner hat sein selbstständiges Gewerbe aufgegeben. |
Bescheinigung der IHK oder der HWK |
Der Schuldner gibt eine von zwei selbstständigen Erwerbsstellen auf. |
Bestätigung des Arbeit... |