Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 241
Für den Gläubiger, der aufgrund der ihm vorliegenden Informationen über den Schuldner sowie dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse und in Kenntnis der Fragen des Vordrucks über ein Vermögensverzeichnis absieht, dass er nicht mit einem vollständigen und richtigen Vermögensverzeichnis rechnen kann, bieten sich dem Grunde nach drei Wege zum Vorgehen an:
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Er kann dem Gerichtsvollzieher schon mit dem Antrag auf Terminsbestimmung weitere schriftliche Fragen zur Übersendung an den Schuldner mit dem amtlichen Vordruck vorlegen. Dem hat der Gerichtsvollzieher nachzukommen, § 136 Abs. 1 S. 3 und 4 GVGA. |
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Der Gläubiger kann persönlich oder durch einen Bevollmächtigten am Termin zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erscheinen und dem Schuldner im Rahmen von § 802c ZPO selbst Fragen stellen, §§ 31 Abs. 7, 138 Abs. 1 S. 4 GVGA. HinweisMit § 5 RVG hat der Bevollmächtigte die Möglichkeit, sich durch einen angestellten Assessor, einen allgemeinen Vertreter oder einen zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsreferendar vertreten zu lassen, ohne auf die Terminsgebühr nach Nr. 3310 VV RVG verzichten zu müssen. Daneben kann er auch einen externen Dritten, etwa ein Außendienstunternehmen, beauftragen. Es kann keinen Zweifel geben, dass es sich hierbei um die effektivste Möglichkeit handelt, vertiefende, vollständige und widerspruchsfreie Informationen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu erlangen und zugleich die Pfändungsmöglichkeiten in zugriffsfähiger Form in Erfahrung zu bringen als auch unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeiten zu nutzen. In solchen Situationen zeigt die Praxis, dass nahezu keine Frage zurückgewiesen wird. Der Gläubiger hat ein Anwesenheitsrecht, bei dessen Verletzung der Termin zu wiederholen ist. |
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Letztlich bleibt dem Gläubiger nach Übersendung des Vermögensverzeichnisses das Nachbesserungs- oder Ergänzungsverfahren, wenn die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind. |
Rz. 242
Spricht eine Vermutung dafür, dass sich die Vermögensverhältnisse nach der Vorlage des Vermögensverzeichnisses geändert haben, so ist nicht die Ergänzung oder Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses zu verlangen, sondern der Antrag auf Abgabe der erneuten Vermögensauskunft nach § 802d ZPO zu stellen. Nachbesserung kann also nur verlangt werden, wenn die vorliegenden Informationen zum Zeitpunkt der Abgabe unvollständig waren.
Rz. 243
Hinweis
Ein von dem Gerichtsvollzieher als unzulässig oder unbegründet erachtetes Nachbesserungsverlangen darf nicht in einen – nach Nr. 260 KV GvKostG kostenpflichtigen – Antrag nach § 802d ZPO umgedeutet werden. Der Gerichtsvollzieher muss ein solches Verlangen dann zurückweisen. Der Gläubiger kann die Zurückweisung mit der Erinnerung nach § 766 ZPO überprüfen lassen.
Rz. 244
Der Gläubiger ist dabei nach der Rechtsprechung verpflichtet, in jeder der drei genannten Verhaltensformen Fragen zu stellen, die individuell auf den Schuldner und dessen Lebenssituation zugeschnitten sind.
Rz. 245
Hinweis
Es bestehen Zweifel, ob diese Praxis der Instanzgerichte dogmatisch konsequent zu begründen ist. Auch der herkömmlich verwendete Vordruck stellt nur einen pauschalen Fragenkatalog dar, der allen Schuldnern gleichermaßen und ohne Rücksicht auf ihre persönliche Situation gestellt wird. Es erscheint wenig konsequent bei Zusatzfragen nun eine Begründung zu verlangen. Es ist deshalb gerechtfertigt, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen. Es ist dem Schuldner durchaus zumutbar, eine für ihn nicht einschlägige Frage kurz und knapp mit "Nein" zu beantworten. Die Rechtsprechung des BGH lässt zu Recht erkennen, dass es an dem Schuldner ist, seinerseits alles zu unternehmen, um die Befriedigung der titulierten Forderung zu ermöglichen.
Rz. 246
Um Rechtsbehelfsverfahren über die Zulässigkeit verschiedener Fragen und die damit verbundene Verzögerung der weiteren Vollstreckung zu vermeiden, sollte der Gläubiger mehrstufig vorgehen:
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Mit dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft sollten nur solche zusätzlichen Fragen verbunden werden, von denen aufgrund des Vorwissens angenommen werden kann, dass diese der konkreten Situation des Schuldners entsprechen. |
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Ebenfalls mit dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft sollten solche abstrakten Fragen gestellt werden, die auf der Hand liegen, im Vordruck aber nicht enthalten sind. BeispieleDie gesetzlichen Krankenkassen können Tarife mit einem Modell der Beitragsrückerstattung für den Fall anbieten, dass der Schuldner die Krankenversicherung in einem festgelegten Zeitraum nicht in Anspruch nimmt. Diese Beitragsrückerstattungsansprüche sind pfändbar. Gleichwohl sieht der Vordruck weder die Frage nach der gesetzlichen Krankenversicherung noch nach dem Tarif in der gesetzlichen Krankenversicherung vor. |
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Eine anschließende Teilnahme am Termin, die in der Praxis die größten Freiheiten bei der Fragestellung gibt, sollte je nach wi... |