Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 215
Die Verhaftung erfolgt nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Gläubigers. Diesen Antrag kann der Gläubiger bereits mit dem Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft an den Gerichtsvollzieher erteilen. Soweit der Gläubiger die erforderlichen Aufträge bereits im Formularauftrag an den Gerichtsvollzieher angekreuzt hat, ist ein erneuter Verhaftungsauftrag nicht erforderlich. Einer Zustellung des Haftbefehls bedarf es nach § 802g Abs. 1 S. 3 vor dessen Vollziehung nicht.
Rz. 216
Die Verhaftung unterbleibt nur dann, wenn seit dem Erlass des Haftbefehls bereits mehr als zwei Jahre vergangen sind, § 802h Abs. 1 ZPO. Der Titel ist auch dann verbraucht, wenn die Forderung, die dem Haftbefehl zugrunde liegt, unstreitig erfüllt wurde, aus demselben (Unterhalts-)Titel später aber weitere, noch nicht erfüllte Forderungen entstanden sind. Die Verhaftung unterbleibt, wenn der Schuldner vor der Verhaftung die Vermögensauskunft freiwillig abgibt.
Rz. 217
Hinweis
Für die Vollziehung eines Haftbefehls i.S.d. § 802g Abs. 2 ZPO reicht es dabei aus, dass der Gläubiger die Verhaftung des Schuldners bei dem zuständigen Vollstreckungsorgan, dem Gerichtsvollzieher, innerhalb der Zwei-Jahresfrist beantragt. Ist dies geschehen, kann die Verhaftung des Schuldners durchgesetzt werden, auch wenn die Verhaftung selbst erst nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist erfolgen kann.
Rz. 218
Der Gerichtsvollzieher hat den Haftbefehl grundsätzlich an verschiedenen Wochentagen und zu verschiedenen Tageszeiten zu vollstrecken. Dabei ist auch eine Vollstreckung zwischen 17.00 Uhr und 21.00 Uhr, d.h. nach der üblichen Arbeitszeit oder auch von 06.00 Uhr bis 08.00 Uhr, d.h. vor der Arbeitszeit zu fordern. Hat der Gerichtsvollzieher mehrmals vergeblich versucht, den Schuldner zu verhaften, ist er verpflichtet, die Wohnung des Schuldners zwangsweise öffnen zu lassen. Etwas anderes gilt nur für die Fälle, in denen es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich der Schuldner nicht in der Wohnung aufhält. Der Gläubiger hat einen Anspruch darauf, dass sein Verhaftungsauftrag entsprechend den gesetzlichen Regelungen konsequent durchgeführt wird. Die von seinem Dienstvorgesetzten in einer Dienstanweisung geäußerte Auffassung, für eine zwangsweise Wohnungsöffnung müssten konkrete Anhaltspunkte für eine Anwesenheit des Schuldners in der Wohnung vorliegen, ist unbeachtlich.
Rz. 219
Hinweis
Ist der Schuldner auf die (erneute) Vorladung des Gerichtsvollziehers freiwillig in dessen Geschäftszimmer erschienen, darf der Gerichtsvollzieher von dem Haftbefehl nur dann Gebrauch machen, wenn der Schuldner wieder gehen möchte, ohne die Bereitschaft gezeigt zu haben, die Vermögensauskunft abzugeben. Der Gerichtsvollzieher muss je nach Verfahrenssituation und Willig- oder Unwilligkeit des Schuldners die Frage der Verhaftung im Einzelfall klären. Die Erhebung einer Verhaftungsgebühr trotz Abnahme der Vermögensauskunft im Geschäftslokal ist vor dem Hintergrund von § 7 GvKostG also stets zu hinterfragen. Es handelt sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 270 KV GvKostG nicht um eine Verfahrensgebühr für das Verfahren zur Haftung, das mit dem Eingang des Auftrages nebst Haftbefehl beginnt, sondern um eine Gebühr, die nur für die tatsächliche Verhaftung anfällt.
Rz. 220
Ein Anspruch eines Gläubigers auf Unterbrechung der Strafhaft des Schuldners, um diesen durch Vollstreckung der Erzwingungshaft nach §§ 802g ff. ZPO zur Abgabe der Vermögensauskunft zu veranlassen, besteht nicht, wenn innerhalb der Frist des § 802h Abs. 1 ZPO mit dem Ende der Strafhaft zu rechnen ist.
Rz. 221
Bleibt der Vollstreckungsversuch erfolglos, muss die Vollstreckung des Haftbefehls in der Wohnung des Schuldners zur Nachtzeit, d.h. zwischen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr (§ 758a Abs. 4 S. 2 ZPO) oder an Sonn- und Feiertagen erfolgen. Hierfür bedarf es nach Auffassung des BGH allerdings in jedem Fall einer besonderen Anordnung des Amtsrichters über die Zulässigkeit der Vorgehensweise. Der Antrag kann schon mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls verbunden werden, aber auch isoliert gestellt werden.
Rz. 222
Eine Verhaftung des Schuldners in der Wohnung eines Dritten ist nicht möglich, wenn der Dritte dem Gerichtsvollzieher den Zutritt zur Wohnung verweigert. Eine entsprechende Berechtigung soll auch nicht durch einen richterlichen Beschluss erteilt werden dürfen. Dies erscheint zweifelhaft. Die Zwangsvollstreckung ist ein staatliches Verfahren als Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols, welches den Staat als Kehrseite nach Art. 19 Abs. 4 GG, aber auch dem materiellen Eigentumsrecht aus Art. 14 GG verpflichtet eine effektive Zwangsvollstreckung zu gewährleisten. Es kann nicht hingenommen werden, dass ein Dritter ohne sachlichen Grund, diesen Anspruch vereitelt. Selbstverständlich sind die Grundrechte des Dritten zu gewährleisten. Deshalb ist es erforderlich, den Anspruch des Gläubigers auf effektive Zwangsvollstreckung mit den berechtigten Belangen...