Rz. 138

Erfolgt vor oder nach der außergerichtlichen Tätigkeit über denselben Gegenstand eine gerichtliche Tätigkeit ist eine hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr vorzunehmen, maximal jedoch bis einem Gebührensatz von 0,75, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG.

1. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG

 

Rz. 139

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr eines gerichtlichen Verfahrens ist in der Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses geregelt. Dort heißt es seit dem 1.8.2013 in Absatz 4:[92]

 

Rz. 140

Zitat

Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 175,00 EUR. Sind mehrere Gebühren entstanden, ist für die Anrechnung die zuletzt entstandene Gebühr maßgebend. Bei einer Betragsrahmengebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren infolge der vorangegangenen Tätigkeit geringer ist. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.

 

Rz. 141

Dabei ist die Anrechnung unabhängig von der Reihenfolge der Entstehung der Gebühren nur insoweit vorzunehmen, als der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit sich mit dem Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit deckt.

 

Rz. 142

Durch das 2. KostRMoG wurde Abs. 4 der Vorbem. 3 VV RVG neben der redaktionellen Anpassung infolge der "Verschiebung" der Geschäftsgebühren in Teil 2 VV RVG um eine Anrechnungsregelung bei Betragsrahmengebühren ergänzt. Diese neue Regelung hat auf die Verfahren, in denen wertabhängige Verfahrensgebühren entstehen, keine Auswirkung.[93]

[92] Geändert durch das 2. KostRMoG vom 23.7.2013, BGBl I S. 2586 (Nr. 42), Geltung ab 1.8.2013.
[93] BT-Drucks 17/11471 v. 14.11.2012, S. 430.

2. Voraussetzungen der Anrechnung

 

Rz. 143

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr hat nur dann zu erfolgen, wenn:

über den Gegenstand auch ein gerichtliches Verfahren erfolgt oder erfolgt ist (siehe Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 5 VV RVG);
derselbe RA außergerichtlich und gerichtlich tätig wird (gilt auch für Sozietät und RA-Gesellschaft);
sich die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit gegen denselben Gegner gerichtet haben;
der außergerichtliche und gerichtliche Gegenstand derselbe sind;
ein zeitlicher Zusammenhang (siehe Anrechnungsausschluss in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG) besteht.

3. Anrechnung bei Gegenstandsidentität und Gegenstandsungleichheit

 

Rz. 144

Wie erfolgt die Anrechnung, wenn sich der Gegenstandswert des außergerichtlichen von dem des gerichtlichen Verfahrens unterscheidet? Grundsätzlich gilt:

Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit gleich, wird die Geschäftsgebühr hälftig, maximal bis zu 0,75 auf eine Verfahrensgebühr des nachfolgenden Verfahrens angerechnet
Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit des gerichtlichen Verfahrens höher, wird die Geschäftsgebühr ebenfalls hälftig, maximal bis zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr angerechnet, jedoch nur aus dem Wert, aus dem die Geschäftsgebühr entstanden ist.
Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der gerichtlichen Tätigkeit niedriger, ist die Geschäftsgebühr ebenfalls hälftig, maximal bis zu 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, jedoch nur aus dem Wert, der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.
 

Rz. 145

Muster 20: Musterrechnung 4.20: Außergerichtliche Vertretung – Besprechung – gerichtliche Geltendmachung – Gegenstand identisch

 

Musterrechnung 4.20: Außergerichtliche Vertretung – Besprechung – gerichtliche Geltendmachung – Gegenstand identisch

Rechtsanwältin S macht außergerichtlich Zugewinnausgleichsansprüche in Höhe von 45.000,00 EUR geltend. Gegner K meldet sich telefonisch und bespricht die Angelegenheit mit Rechtsanwältin S. K will keine Zahlung leisten. In der Folge wird nach erteiltem Verfahrensauftrag ein entsprechender gerichtlicher Antrag eingereicht. Der Gegenstandswert der außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeit hat 45.000,00 EUR betragen.

1. Außergerichtliche Tätigkeit

Gegenstandswert: 45.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG, 35 FamGKG

 

1,3 Geschäftsgebühr aus 45.000,00 EUR

Nr. 2300 VV RVG
1.414,40 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 1.434,40 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 272,54 EUR
Summe 1.706,94 EUR

2. Gerichtliche Tätigkeit

Gegenstandswert: 45.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 35 FamGKG

 

1,3 Verfahrensgebühr aus 45.000,00 EUR

Nr. 3100 VV RVG

abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr aus 45.000,00 EUR

1.414,40 EUR

Vorbem. 3, Abs. 4 VV RVG ./. 707,20 EUR
Zwischensumme 707,20 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 727,20 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 138,17 EUR
Summe 865,37 EUR

Zum Gegenstandswert siehe § 2 Rdn 129.

 

Rz. 146

Muster 21: Musterrechnung 4.21: Außergerichtliche Vertretung – Besprechung – gerichtliche Geltendmachung – Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit des gerichtlichen Verfahrens ist höher

 

Musterrechnung 4.21: Außergerichtliche Vertretung – Bespr...

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