Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
I. Allgemeine Verschwiegenheitspflicht
Rz. 19
Spezielle Verschwiegenheitsregeln zum beA gibt es nicht. Allerdings sind auch in Bezug auf beA die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts nach § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA sowie Nr. 2.3 CCBE und die strafrechtliche Sanktionierung gem. § 203 StGB bei Verstoß hiergegen von großer Bedeutung. Anwälte sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit anzuhalten. Um den Rahmen dieses Werks nicht zu sprengen, wird an dieser Stelle die genaue Lektüre dieser Bestimmungen empfohlen. § 203 StGB sowie § 42a Abs. 2 BRAO wurden zum 9.11.2017 geändert; zudem wurde § 43e BRAO neu eingeführt. § 43a Abs. 2 BRAO wurde erst zum 1.8.2021 dahingehend geändert, dass die bei einem Anwalt beschäftigten Personen nicht mehr in Schriftform, sondern lediglich noch in Textform zu Verschwiegenheit zu verpflichten und belehren sind. Seit dem 9.11.2017 besteht gem. § 43e BRAO u.a. die Pflicht, Verträge mit externen Dienstleistern in Textform zu schließen sowie diese zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Externe Dienstleister kommen in Kanzleien insbesondere in den Bereichen Aktenarchivierung, Aktenvernichtung, Schreib- und Telefondiensten, Übersetzungen oder auch beim Einsatz externer EDV/IT-Dienstleister (Fernwartung) häufig vor. § 2 Abs. 2 BORA verdient ebenfalls entsprechende Beachtung.
Zitat
(2) 1Die Verschwiegenheitspflicht gebietet es dem Rechtsanwalt, die zum Schutze des Mandatsgeheimnisses erforderlichen organisatorischen und technischen Maßnahmen zu ergreifen, die risikoadäquat und für den Anwaltsberuf zumutbar sind. 2Technische Maßnahmen sind hierzu ausreichend, soweit sie im Falle der Anwendbarkeit der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten deren Anforderungen entsprechen. 3Sonstige technische Maßnahmen müssen ebenfalls dem Stand der Technik entsprechen. 4Abs. 3 lit. c) bleibt hiervon unberührt. 5Zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist die Nutzung eines elektronischen oder sonstigen Kommunikationsweges, der mit Risiken für die Vertraulichkeit dieser Kommunikation verbunden ist, jedenfalls dann erlaubt, wenn der Mandant ihr zustimmt. 6Von einer Zustimmung ist auszugehen, wenn der Mandant diesen Kommunikationsweg vorschlägt oder beginnt und ihn, nachdem der Rechtsanwalt zumindest pauschal und ohne technische Details auf die Risiken hingewiesen hat, fortsetzt.
Rz. 20
Nach Ansicht der Verfasser haben Postfachinhaber daher alles ihnen Zumutbare zu unternehmen, damit es im Rahmen der beA-Nutzung nicht zu einem Verschwiegenheitspflichtverstoß kommt. Postfachinhaber können gem. § 23 Abs. 2 S. 1 RAVPV auch anderen Personen Zugang zu ihrem beA gewähren; wobei für Personen, die nicht über ein eigenes beA verfügen, ein sog. Zugangskonto anzulegen ist, siehe dazu auch § 7 Rdn 1 ff. in diesem Werk. Zugangsberechtigungen sollten jedoch nur an solche Kollegen und Mitarbeiter vergeben werden, bei denen von einer entsprechenden Kenntnis der beA-Funktionen sowie einer entsprechenden Zuverlässigkeit im Umgang mit dem beA ausgegangen werden kann.
Rz. 21
Erfährt ein Anwalt, dass Kollegen oder Mitarbeiter der Kanzlei sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften halten und z.B. anderen Personen, wie z.B. Mitarbeitern, ihre Zugangsmittel zur Verfügung stellen, ist eine adäquate und sofortige Reaktion erforderlich, denn schließlich können bei umfassender Rechtevergabe die Postein- und -ausgänge der Berufsausübungsgesellschaft als Mandatsträgerin in Gefahr sein. Es sollte innerhalb der Berufsausübungsgesellschaft ebenfalls geklärt sein, dass Personen, die der Kanzlei nicht angehören (z.B. Ehegatten, Lebenspartnern), kein Zugang zum Postfach gewährt werden darf. Mitarbeiter sind entsprechend ausnahmslos zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Zum Umgang mit beA Karten siehe auch § 5 Rdn 64 ff.
II. Ausscheider und Neuzugänge – oder: von Joinern und Leavern
Rz. 22
Ein zentrales Thema im beA in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht ist sicherlich der Umgang mit ausscheidenden Mitarbeitern und Anwälten sowie mit Neuzugängen (sog. Joiner und Leaver).
Rz. 23
Wenn ein Mitarbeiter die Kanzlei verlässt, sollte er die ihm zugewiesene Mitarbeiter-Karte in der Kanzlei belassen. Diese kann vom Profil des ausscheidenden Mitarbeiters entkoppelt und einem neuen Mitarbeiter zugewiesen werden. Würde ein Mitarbeiter seine Mitarbeiterkarte mitnehmen, so empfiehlt sich aus ökonomischen Gründen, diese Karte einfach sperren zu lassen, siehe auch unter § 5 Rdn 55 ff. Heraus...