Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 22
Ein zentrales Thema im beA in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht ist sicherlich der Umgang mit ausscheidenden Mitarbeitern und Anwälten sowie mit Neuzugängen (sog. Joiner und Leaver).
Rz. 23
Wenn ein Mitarbeiter die Kanzlei verlässt, sollte er die ihm zugewiesene Mitarbeiter-Karte in der Kanzlei belassen. Diese kann vom Profil des ausscheidenden Mitarbeiters entkoppelt und einem neuen Mitarbeiter zugewiesen werden. Würde ein Mitarbeiter seine Mitarbeiterkarte mitnehmen, so empfiehlt sich aus ökonomischen Gründen, diese Karte einfach sperren zu lassen, siehe auch unter § 5 Rdn 55 ff. Herausgabe-Anforderungen dürften unwirtschaftlich sein, da die Karte im Jahr lediglich 12,90 EUR netto kostet. Wurde dem Mitarbeiter ein Software-Zertifikat überlassen, sollte man dieses bei Ausscheiden grundsätzlich sicherheitshalber über die Sperr-Hotline der BNotK (Tel. 0800/3550–100) sperren lassen, wenn es nicht so auf dem Rechner hinterlegt ist, dass eine Kopie unmöglich ist, siehe dazu auch § 5 Rdn 38. Denn wenn das neue Mitarbeiter-Profil mit dem alten Softwarezertifikat verknüpft wird, kann der ausgeschiedene Mitarbeiter mit der Kopie des Zertifikats und seiner PIN weiter auf das Postfach zugreifen.
Rz. 24
Der Zugang zum persönlichen beA kann einem Anwalt nicht verwehrt werden, wenn er die Kanzlei, in der er als Partner/Mitgesellschafter oder angestellter Anwalt tätig war, verlässt. Das gilt auch dann, wenn die beA-Karte (das Abo) des Anwalts von der verlassenen Kanzlei finanziert wurde. Dies bedeutet, dass ein Anwalt grundsätzlich seine Karte mitnimmt, wenn er eine Kanzlei verlässt.
Rz. 25
Natürlich muss die verlassene Kanzlei darauf achten und alles ihr Zumutbare unternehmen, zu verhindern, dass weiterhin Posteingänge im beA des ausscheidenden Anwalts, die Mandate der verlassenen Kanzlei betreffen, vom ausscheidenden Anwalt oder Mitarbeitern der neuen Kanzlei gelesen werden können. Eine Ausnahme wäre dann gegeben, wenn ein Anwalt die "Mandate mitnimmt". Verbleiben Mandate jedoch in der Kanzlei, gilt es zur Wahrung der Verschwiegenheitspflicht, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Folgende Maßnahmen bei Ausscheiden eines Anwalts aus der Kanzlei sind daher nach unserer Auffassung zu treffen (keine abschließende Aufzählung):
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Festhalten des Ausscheidetermins und Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen. Zu prüfen ist insbesondere: Wann erfolgt das "körperliche" Ausscheiden, wann das "rechtliche"? |
Beispiel
RA Mustermann (Sozius) scheidet zum Monatswechsel rechtlich aus der Kanzlei aus; dies ist ein Montag. Körperlich verlässt er die Kanzlei bereits einige Tage vorher aufgrund von Resturlaub, wegen des bevorstehenden Wochenendes oder aus anderen Gründen. Solange er rechtlich noch zur Kanzlei gehört, können an ihn in Mandaten der zu verlassenden Kanzlei auch wirksam Zustellungsversuche erfolgen. Es ist also zu klären, durch wen und wie angeforderte eEBs abgegeben werden. Auf die Ausführungen in § 15 Rd 66 u. 179 in diesem Werk zum Empfangsbekenntnis wird verwiesen.
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Rechtzeitige Aufnahme der Daten auf den Briefbögen der Kanzlei, die erforderlich sind, den neuen Sachbearbeiter elektronisch im beA zu adressieren. Die grundsätzliche Pflicht zur Angabe solcher Daten ergibt sich aus § 130 Nr. 1a ZPO, siehe dazu auch § 13 Rdn 6 ff. in diesem Werk. Es sollte jedoch nach Möglichkeit nicht erst am Tag des Ausscheidens mit dieser Maßnahme begonnen werden. Empfehlenswert ist eine ausreichend lange Vorlaufzeit, die sich am körperlichen Ausscheiden sowie der Bearbeitungsdauer in den Verfahren orientieren kann. |
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Unverzügliche Information des Gerichts und der weiteren per beA adressierten Verfahrensbeteiligten (Rechtsanwälte, Notare, Behörden, Gerichtsvollzieher, etc.) in allen betroffenen Mandaten über das Ausscheiden und Information über den neuen Sachbearbeiter aus dem Postfach des neuen Sachbearbeiters, um so zugleich den neuen "Rückkanal" zu eröffnen. Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Kanzlei Kenntnis über alle vom ausscheidenden Anwalt bearbeiteten Mandate hat. Das kann insbesondere bei Massenmandaten aufwendig und anspruchsvoll sein. Zu bedenken ist jedoch, dass dazu bisher keine Rechtsprechung existiert, welche Maßnahmen im Einzelnen einem Anwalt zumutbar sind, um sowohl ein mandatsgerechtes Agieren als auch der Verschwiegenheitspflicht Genüge zu leisten. |
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Postfachleerung: Sämtliche sich in den Ordnern im beA des ausscheidenden Anwalts befindliche Post ist nicht nur zu exportieren, um diese Post tatsächlich in den "Kanzleibesitz" zu bringen, sondern danach endgültig, und damit auch aus dem Papierkorb, zu löschen. Erfolgt dies nicht, wäre es so als würde man dem ausscheidenden Anwalt erlauben, die Akten mitzunehmen. Dies wäre aber auch nur bei Mandatsmitnahme zulässig. Zudem wäre nach der notwendig erfolgten Rechteentziehung von Seiten der verlassenen Kanzlei kein Zugriff auf diese Post mehr möglich. |
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Vornahme von Vertragsergänzungen (Arbeitsvertrag bei angestellten Anwälten bzw. ggf. Gesellschaf... |