a) Allgemeines
Rz. 95
Der Nacherbe, dem mit Anfall der Nacherbschaft der Herausgabeanspruch nach § 2130 BGB und Schadensersatzansprüche zustehen, hat – meist unter der Voraussetzung, dass der Vorerbe nicht befreit ist – Kontroll- und Sicherungsrechte. Hat der Erblasser einen Nacherbentestamentsvollstrecker für die Zeit der Vorerbschaft gem. § 2222 BGB ernannt, so kann nur dieser und nicht der Nacherbe die Rechte ausüben; der Testamentsvollstrecker hat dann die Pflicht, den Anspruch nach § 2121 BGB (Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände) geltend zu machen und über den Stand der Erbschaft zum Zeitpunkt der Übernahme der Testamentsvollstreckung zu informieren.
b) Erstellung des Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände (§ 2121 BGB)
Rz. 96
Der Nacherbe kann vom Vorerben während der Vorerbschaft grundsätzlich einmal die Erstellung eines Verzeichnisses verlangen. Er hat, wie der Pflichtteilsberechtigte, das Recht, öffentliche Beglaubigung ebenso verlangen zu können wie Hinzuziehung und Aufnahme durch die Behörde oder den Notar. Fraglich ist, ob ein Anspruch auf Fortschreibung des Verzeichnisses besteht. Da das Verzeichnis auf den Tag der Ausstellung, nicht auf den Tag der Erbschaft, ausgestellt wird, hängt von der Zeit, die seit der Erstellung bis zum Anfall für den Nacherben verstreicht, der Aussagewert des Verzeichnisses ab. Zwar können gute Gründe vorgebracht werden, um dem Vorerben eine Ergänzung oder Fortschreibung bei Zeitablauf aufzuerlegen, der BGH hat jedoch nochmals bekräftigt, dass der Anspruch nur einmal durchgesetzt werden kann.
Rz. 97
Weiter wird diskutiert, ob mehrere Nacherben unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeitpunkten das Verzeichnis verlangen können. Aus einer BGH-Entscheidung lässt sich jedoch der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Erstellung zwar von jedem Nacherben allein, jedoch nur auf Mitteilung des Verzeichnisses an alle Nacherben verlangt werden kann.
Praxishinweis
Der Berater, der den Vorerben vertritt, wird ihm raten, bei erstmaliger Aufforderung durch einen Nacherben Auskunft an alle Nacherben zu erteilen, um die mehrfache Erstellung auf jeden Fall zu vermeiden.
c) Feststellung des Zustands der Erbschaft (§ 2122 BGB)
Rz. 98
Dieser Anspruch, der gem. § 809 BGB auch die Vorlegung zur Besichtigung umfasst, stellt zwar keinen Wertermittlungsanspruch des Nacherben dar, dient jedoch wie der Verzeichnisanspruch der Sicherung von Beweisen für spätere Schadensersatzansprüche, insbesondere wegen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und Ansprüchen auf Ersatz aus übermäßiger Fruchtziehung. Im Regelfall wird bei Immobilien der Sachverständige auf Betreiben des Nacherben auch ein Substanz- oder Ertragswertgutachten erstellen. Da die Kosten den Auftraggeber treffen und nicht, wie bei § 2121 Abs. 4 BGB den Nachlass, wird hier ein größerer Gestaltungsspielraum eröffnet. Der Anspruch geht auf Duldung der Feststellung des Zustands, die auch in den Grenzen des Schikaneverbots des § 226 BGB wiederholt werden kann. Beide Ansprüche (§§ 2121, 2122 BGB) stehen dem Nacherben unabhängig von einer Befreiung des Vorerben zu. Sie erlöschen mit dem Anfall des Nachlasses an den Nacherben.
d) Auskunft über den Bestand des Nachlasses (§ 2127 BGB)
Rz. 99
Der Auskunftsanspruch, von dem der Erblasser den Vorerben befreien kann, setzt zunächst voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt. Die Vermutung einer bevorstehenden Verletzung genügt. Es muss auch kein Verschulden des Vorerben behauptet werden; die Verwaltung muss für den Nacherben objektiv rechtsverletzend sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn innerhalb einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Nacherbe nach § 2120 BGB gehalten war, zuzustimmen. Erheblich ist eine Rechtsverletzung dann, wenn sie sich auf nicht unwesentliche Bestandteile des Nachlasses bezieht. Eine mögliche erhebliche Verletzung der Nacherbenrechte liegt insbesondere in der eigenmächtigen Vornahme von Verfügungen, die nach § 2113 BGB im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam sind. Weiter ist bei Verstoß gegen die Anlagevorschriften, die dem nicht befreiten Vorerben obliegen, die notwendige substantiierte Darlegung der Annahme einer erheblichen Verletzung gegeben.
Rz. 100
Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann der Nacherbe mehrfach die Auskunft verlangen. Bei Erstellung des Bestandsverzeichnisses gilt § 260 BGB, sodass bei Besorgnis, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, die eidesstattliche Versicherung verlangt werden kann. Hat der Vorerbe zu einem früheren Zeitpunkt ein Verzeichnis nach § 2121 BGB erstellt, so kann der Nacherbe lediglich die Fortschreibung des Verzeichnisses, insbesondere über die nach dem Verzeichnis eingetretene Surrogation, verlangen.