a) Entstehen der Steuerpflicht
Rz. 170
Die Steuerpflicht des Nacherben entsteht mit dem Anfall nach § 1139 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt sind nur dann Steuern zu entrichten, wenn der Nacherbe gegen Abfindung auf das Nacherbenrecht verzichtet, gegen Abfindung ausschlägt, das Anwartschaftsrecht gegen Erlös überträgt bzw. Nachlassgegenstände vom Vorerben unentgeltlich erhält.
Rz. 171
Bei der Besteuerung des Nacherben ist zu unterscheiden, ob der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben oder durch ein anderes Ereignis eintritt.
b) Nacherbfall durch Tod des Vorerben
Rz. 172
In diesem Fall hat der Nacherbe den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Für die Steuerklasse und den persönlichen Freibetrag gilt das Verhältnis zum Vorerben. Auf Antrag kann das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde gelegt werden. Erwirbt der Nacherbe mit dem Tod des Vorerben neben dem Vermögen aus dem Nacherbfall auch Eigenvermögen des Vorerben und hat er für den Nacherbfall das Steuerverhältnis zum Erblasser gewählt, so bestimmt sich zunächst der Steuersatz nach dem zusammengerechneten Vermögen. Hinsichtlich der Steuerklasse ist jeder Erbfall jedoch getrennt zu bewerten. Für den Erwerb des Eigenvermögens vom Vorerben kann jedoch ein Freibetrag nur noch soweit genutzt werden, als er nicht für das Vermögen vom Erblasser verbraucht wurde. Mit diesen Regelungen wird gewährleistet, dass der Anfall an den Nacherben vom Erblasser und vom Vorerben steuerrechtlich als ein einziger Erbvorgang behandelt wird. Dies kann zu gravierenden steuerlichen Benachteiligungen des Nacherben führen, sodass in der Beratung von einer Nacherbfolge auf den Tod des Vorerben immer dann abgeraten werden muss, wenn der Nacherbe auch Erbe des Eigenvermögens des Vorerben werden soll.
c) Erhaltung des Freibetrages durch "Supervermächtnis"
Rz. 173
In der Rechtspraxis wird als Ausweg das sog. Supervermächtnis genutzt. Um z.B. im Rahmen eines Berliner Testaments (Voll- und Schlusserbeneinsetzung im Gegensatz zu Vor- und Nacherbschaft) dem überlebenden Ehegatten die volle Verfügungsmacht zu erhalten, vor dem Hintergrund des § 6 Abs. 4 ErbStG die Fälligkeit auf einen anderen Zeitpunkt als den Tod des Erstversterbenden festzulegen und die schädlichen Folgen des § 6 Abs. 2 ErbStG zu vermeiden, setzt der Erstversterbende ein Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB) in Verbindung mit einem Wahlvermächtnis (§§ 2151 ff. BGB) aus. Der überlebende Ehegatte kann dann aus den Vermächtnisnehmern (in der Regel die Kinder) die Empfänger auswählen und auch den Umfang des Vermächtnisses frei bestimmen. Die Verwendung der in den Vorschriften zu den Vermächtnissen eingeräumten Gestaltungsspielräume ist allgemein anerkannt.
d) Nacherbfall durch sonstiges Ereignis
Rz. 174
Nach § 6 Abs. 3 ErbStG gilt in diesen Fällen die Vorerbfolge als auflösend bedingter und die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall. Dies bedeutet zunächst, dass der Erwerb des Nacherben auch steuerlich als Anfall vom Erblasser behandelt wird. Eines Antrags hierzu bedarf es nicht. Der Nacherbe kann die vom Vorerben entrichtete Steuer, mit Ausnahme der beim Vorerben entstanden Bereicherung aus der Zeit der Vorerbschaft, von seiner zu zahlenden Steuer abziehen.
Beispiel
Hat der Vorerbe bei Immobilienvermögen als Nachlass auf den Wert nach § 12 ErbStG Erbschaftsteuer bezahlt und dann wenige Jahre die Nutzungen ziehen können, bevor der Nacherbfall eintritt, kann der Nacherbe fast den gesamten vom Vorerben bezahlten Steuerbetrag von seiner Belastung absetzen. Lediglich die Summe, die dem kapitalisierten Wert der Nutzung der Immobilie entspricht, kann nicht abgesetzt werden. Dies bedeutet für die Beratung, dass bei Einrichtung des Instituts der Vor- und Nacherbfolge stets darauf geachtet werden sollte, den Nacherbfall nicht auf den Tod des Vorerben zu bestimmen.
Nicht möglich ist allerdings, bezahlte Erbschaftsteuer im Nacherbfall zurückzuverlangen, wenn der Nacherbe rechnerisch weniger zu bezahlen hätte, als er von der Vorerbenbelastung anrechnen kann.
e) Maßnahmen des Nacherben während der Vorerbschaft
Rz. 175
Der BFH entschied 2008 einen Fall, in dem der Nacherbe noch während der Zeit der Vorerbschaft in Erwartung der Nacherbschaft werterhöhende Maßnahmen in ein Baugrundstück vornahm. Die Werterhöhung der Investition wird nach dieser Entscheidung vom Immobilienwert zum Zeitpunkt des Nacherbfalls abgezogen. Die steuerliche Entlastung ergibt sich daher nicht aus der Höhe der Investition, sondern aus der zum Zeitpunkt des Erwerbs verbliebenen Wertsteigerung.
Praxishinweis
Bei Beratung des Nacherben, insbesondere bei Kindern, die das Familienheim übernehmen, sind Investitionsbeiträge (finanziell und in Form von Arbeitsleistung) abzufragen.