I. Anwartschaftsrecht
1. Entstehen und Sicherung des Anwartschaftsrechts
Rz. 86
Der Erwerb des Nachlasses durch den Nacherben vollzieht sich in zwei Schritten. Zunächst erwirbt er mit dem Tod des Erblassers ein Anwartschaftsrecht auf Eintritt in die Erbenposition. Neben den in den §§ 2116–2119, 2121–2123, 2127–2129 BGB geregelten Mitwirkungs- und Sicherungsrechten entsteht eine gesicherte Rechtsposition. Diese Rechtsposition kann angenommen und ausgeschlagen werden (§ 2142 BGB). Die Annahme folgt den allgemeinen Regeln, sodass auch die konkludente Annahme möglich ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der gesamte Personenkreis der Nacherben bereits mit dem Erbfall feststeht und nicht erst mit dem Ereignis, das den Nacherbfall auslöst. Dies gilt z.B. für die Bezeichnung, dass "alle Abkömmlinge" zu Nacherben eingesetzt werden. Hier entsteht für keinen der Abkömmlinge ein Anwartschaftsrecht, da diese Gruppe erst mit dem Nacherbfall endgültig feststeht.
Rz. 87
Diese Rechtsposition ist von Amts wegen bei Eintragung des Vorerben in das Grundbuch mit dem "Nacherbenvermerk" zu sichern (§ 51 GBO). Wenn der oder die Nacherben noch nicht feststehen, so sind diese so genau wie möglich personalisiert zu bezeichnen ("die Abkömmlinge des A").
Rz. 88
Das Anwartschaftsrecht kann auch gepfändet werden (§ 857 ZPO als "sonstiges Vermögensrecht"). Die Pfändung geht jedoch ins Leere, wenn ein Ersatznacherbenfall eintritt oder der Nacherbe nach § 2142 BGB die Nacherbschaft ausschlägt. Da die Ausschlagungsfrist erst mit dem Nacherbfall beginnt, ist diese Pfändung immer gefährdet. Geht es um größere Summen, wird der Nacherbe dem Gläubiger auch selten den Gefallen erweisen, nach der Ausschlagung den Pflichtteil geltend zu machen.
2. Veräußerbarkeit
a) Grundsatz
Rz. 89
Das Anwartschaftsrecht ist veräußerbar. Auf die Veräußerung finden die §§ 2033 f., 2371, 3285 BGB Anwendung. So ist sowohl für das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft notarielle Beurkundung notwendig. Nach § 2034 Abs. 1 BGB haben sowohl die Mitnacherben und bei deren Fehlen der Vorerbe ein Vorkaufsrecht, das innerhalb von zwei Monaten ausgeübt werden muss.
b) Ausschluss
Rz. 90
Der Erblasser soll nach der h.M. die Veräußerbarkeit ausschließen können. Dies ist jedoch äußerst fraglich und im Ergebnis abzulehnen, da gesetzlich lediglich der Ausschluss der Vererblichkeit festgelegt ist (§ 2108 Abs. 2 BGB) und § 137 BGB auch für Testamente gilt. So kann in einem Veräußerungsverbot eine zulässige auflösende Bedingung gesehen werden, für die eine aufschiebend bedingte Nachnacherbeneinsetzung vorgesehen werden sollte. Auch hier zeigt sich, wie durch nicht konsequent durchgehaltene Bedingungskonstruktionen die konstruktive Vor- und Nacherbschaft Probleme verursachen kann.
3. Vererblichkeit
a) Auslegungsregel (§ 2108 Abs. 2 BGB)
Rz. 91
Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist, sofern der Erblasser nichts Gegenteiliges verfügt hat – was sich, wie stets bei Testamenten, auch aus der ergänzenden Testamentsauslegung ergeben kann –, vererblich. § 2108 Abs. 2 BGB ist eine Auslegungsregel. Hat der Erblasser den Wegfall des Nacherben zwischen Erb- und Nacherbfall nicht in Erwägung gezogen, so treten an die Stelle des Nacherben dessen Erben, wobei es unerheblich ist, ob sie gesetzliche oder gewillkürte Erben sind. Der Erblasser kann die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts grundsätzlich ausschließen, sodass der Vorerbe mit dem Tod des Nacherben bzw. der Unerreichbarkeit des Eintritts der Nacherbfolge zum Vollerben wird.
Rz. 92
Sauber abzugrenzen sind Fälle, in denen der Erblasser einen Nachnacherben – Stichwort "Nacherbenkette": Der Nacherbe ist gleichzeitig Vorerbe des Nachnacherben – oder Ersatznacherben – der Ersatznacherbe wird nur Nacherbe, wenn der Nacherbe wegfällt – einsetzt. Dies ist vor allem zu prüfen, wenn der Nacherbe zwischen Erbfall und Nacherbfall stirbt. Schließt der Ersatznacherbe den Erwerb des Anwartschaftsrechts der Erben des Nacherben aus? Ist eine "zweifelsfreie" Ersatznacherbeneinsetzung immer als Ausschluss der Vererblichkeit anzusehen? Was, wenn der Nacherbe, Kind des Erblassers, testamentarisch seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hat, § 2069 BGB aber für den Enkel des Erblassers zu streiten scheint? Die Versuche in der Literatur, Kriterien aufzustellen, sind meist nur Hinweise zur peinlich genauen Auslegungsarbeit. Das OLG Braunschweig hat in seiner Entscheidung zur Ersatznacherbeneinsetzung wohl zutreffend darauf hingewiesen, dass die Auslegung der Einsetzung von E...