Rz. 131
Ein Sozialhilfeträger kann grundsätzlich weder vom Erben Geltendmachung dieses Anspruchs auf Leistung verlangen noch den Testamentsvollstrecker auf Zahlung in Anspruch nehmen, wenn im Testament gegenteilige Verwaltungsanordnungen enthalten sind. Dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Bereich des Sozialhilferechts herausgearbeitete Grundsatz steht in einem Spannungsverhältnis zum Subsidiaritätsprinzip. Der BGH hat hervorgehoben, dass der dem Subsidiaritätsprinzip gegenläufige Gedanke des Familienlastenausgleichs ein erhebliches Gewicht beikommt. Der besonderen Belastung der Eltern behinderter Kinder müsse die Allgemeinheit im gewissen Umfang Rechnung tragen. Dies bedinge auch, dass sie ihnen die Möglichkeit zubilligt, ihrem behinderten Kind zusätzliche Leistungen zukommen lassen zu dürfen, die nicht behinderten Kinder als Einkünfte zugerechnet werden müssten. Aus alldem folgt zunächst, dass bei der Bemessung der Beihilfe zum Lebensunterhalt des Behinderten Zuwendungen des Testamentsvollstreckers, soweit diese aus dem Nachlass der Eltern stammen, nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzurechnen sind. Im Rahmen eines "angemessenen Unterhalts" wird dies auch weiterhin zugelassen sein. Vollständig lässt sich jedoch die aus dem Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker entspringende Überleitungsansprüche des Sozialhilfeträgers nicht vermeiden, insbesondere wenn die Erträge so hoch sind, dass sie für eine Unterhaltung des Behinderten vollständig ausreichen. Dem entspricht die Möglichkeit des Sozialhilfeträgers, Leistungen zu kürzen, wenn entgegen des Ertragsreichtums des Nachlassanteils keine Leistungen zum Unterhalt gewährt werden. Hiermit wird einer i.E. gemeinschaftsschädlichen vollständigen Thesaurierung des Ertrags entgegengewirkt, was von der h.M. akzeptiert wird und auch gerechtfertigt ist.
Rz. 132
Bis 2011 war noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob beim Behindertentestament der Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht des Behinderten gem. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB auf sich überleiten kann. Die h.M. geht davon aus, dass der Pflichtteilsanspruch des Behinderten in diesem Fall erst mit Ausübung des Ausschlagungsrechts entstehe. Vorher könne er nicht gem. § 93 SGB XII vom Sozialhilfeträger übergeleitet werden. Das Ausschlagungsrecht sei höchstpersönlicher Natur. Es obliege allein dem Erben zu entscheiden, ob er die belastete Erbeinsetzung annimmt oder nicht. Das Ausschlagungsrecht ist daher nicht übertragbar und kann nicht übergeleitet werden.
Eine a.A. geht dagegen davon aus, dass auch in den Fällen des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB der Pflichtteilsanspruch bereits mit dem Erbfall entstehe; der Sozialhilfeträger könne daher mit Eintritt des Erbfalls den Pflichtteilsanspruch des Behinderten auf sich überleiten. In seinem Urteil vom 19.1.2011 hatte der BGH unter umfangreicher Zitierung des Meinungsstands festgestellt: "Nach heute einhelliger und überzeugender Auffassung kann der Sozialhilfeträger indes nicht das Ausschlagungsrecht auf sich überleiten und ausüben, um den Pflichtteilsanspruch nach § 2306 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Andernfalls erhielte der Sozialhilfeträger die Möglichkeit, auf die Erbfolge Einfluss zu nehmen, was generell nicht dem Erblasserwillen entspricht und nach dem Gesetz den Bedachten selbst vorbehalten ist." Mit diesem deutlichen Hinweis war diese wichtige Frage geklärt.