Dr. Lars Damke, Dr. Martin van Bühren
a) Allgemeines
Rz. 32
Obwohl es sich bei Leitungswasser/Rohrbruch/Frost um eine einheitliche Gefahrengruppe handelt (vgl. Rdn 27), werden die darin zusammengefassten Risiken aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in den VGB 2010 und VGB 2022 getrennt voneinander behandelt. Dennoch werden die drei Risiken in einem einheitlichen Leitungswasserrisiko zusammengefasst. Führt also beispielsweise ein Rohrbruch oder ein Frostschaden dazu, dass Leitungswasser austritt und einen Wasserschaden verursacht, stellt dies einen einheitlichen Versicherungsfall dar. Der Versicherungsnehmer kann keinen Versicherungsschutz für sämtliche verwirklichten Risiken ("Rohrbruch", "Frost" und "Leitungswasser") in Anspruch nehmen. Die Versicherungssumme steht für den Versicherungsfall also nur einmal zur Verfügung (Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles, vgl. Rdn 24 ff.).
Rz. 33
Die Einheit des Leitungswasserrisikos hat auch Bedeutung für den Beginn des materiellen Versicherungsschutzes. Liegt beispielsweise ein Frostschaden vor, der zu einem nicht erkennbaren Wasseraustritt führt, ist es für die Eintrittspflicht des Versicherers maßgeblich, ob der materielle Versicherungsbeginn bereits vor dem Frostschaden als maßgeblichem Versicherungsfall bestand. Wann der Frostschaden zu einem äußerlich erkennbaren Wasserschaden führt, ist hierfür also nicht von Bedeutung (siehe Rdn 22).
b) Leitungswasser
Rz. 34
Für die Eintrittspflicht des Versicherers reicht es nicht aus, dass irgendwelches Wasser zu einem versicherten Schaden führt. Erforderlich ist vielmehr Leitungswasser. Gemäß A § 3 Nr. 3 VGB 2010, A 4.2 VGB 2022 (§ 6 Nr. 1 VGB 88) wird Leitungswasser als Wasser definiert, das aus den dort genannten Rohren und Anlagen (nachfolgend siehe Rdn 35 ff.) bestimmungswidrig ausgetreten (vgl. auch Rdn 42 ff.) ist. Dabei wird Wasserdampf dem Leitungswasser gleichgestellt (A § 3 Nr. 3 VGB 2010, A 4.2 VGB 2022, § 6 Nr. 2 VGB 88). Vom Leitungswasserrisiko werden also die durch Überschwemmungen, Ausuferung oberirdischer Gewässer und Witterungsniederschläge verursachten Schäden nicht mit umfasst. Hier besteht aber bedingungsgemäßer Versicherungsschutz nach A § 4 VGB 2010, A 4.3 VGB 2022. Nach den VGB 88 konnten derartige Risiken nur in einer zusätzlichen Elementarversicherung unter Versicherungsschutz gestellt werden. Gleichfalls stellt es keinen Leitungswasserschaden dar, wenn der Wasserschaden durch Wasser entsteht, das aus einer Drainage oder einem Regenwasserfallrohr zugeflossen ist (A § 3 Nr. 4 VGB 2010, anders nun A 4.5 VGB 2022). Hierbei handelt es sich vielmehr um Regen- oder Grundwasser.
c) Zu- oder Ableitungsrohre der Wasserversorgung
Rz. 35
Das Wasser muss gem. A § 3 Nr. 3 VGB 2010, A 4.2.1 VGB 2022 (§ 6 Nr. 1a VGB 88) aus Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung ausgetreten sein. Der Begriff "Wasserversorgung" ist weit auszulegen. Er umfasst jede wirtschaftlich sinnvolle Bewegung und Verwendung von Wasser, unabhängig davon, ob es sich um Frisch- oder Brauchwasser handelt.
Rz. 36
Ebenso wenig muss es sich um Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgung handeln. Vielmehr wird vom versicherten Risiko beispielsweise auch zugeführtes Quellwasser erfasst.
Rz. 37
Wichtig ist, dass die betreffenden Zu- oder Ableitungsrohre nicht zwingend der Versorgung des versicherten Gebäudes dienen müssen. Das Wasser kann auch aus Zu- oder Ableitungsrohren austreten, die sich auf dem Nachbargrundstück befinden und das dortige Nachbargebäude versorgen bzw. entsorgen. Gleichfalls kann das Wasser aus der Hauptwasserleitung des öffentlichen Versorgungsnetzes austreten. Für die Leistungspflicht des Versicherers reicht es aus, dass das bedingungsgemäß ausgetretene Leitungswasser zu einem Schaden an der versicherten Sache führt.
d) Sonstige versicherte Einrichtungen
Rz. 38
Mitversichert sind nach den VGB 2010 Schäden, die durch austretende Sole, Öle, Kühl- oder Kältemittel entstehen, die aus Klima-, Wärmepumpen- oder Solarheizungsanlagen austreten. Diese Flüssigkeiten werden in A § 3 Nr. 3 VGB 2010, A 4.2 VGB 2022 dem Leitungswasser gleichgestellt.
e) Wasserbetten und Aquarien
Rz. 39
Versicherte Nässeschäden sind solche, bei denen durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser Gegenstände zerstört oder beschädigt worden sind (A § 3 Nr. 3 VGB 2010, A 4.1 VGB 2022). Ein versicherter Nässeschaden liegt auch vor, wenn Wasser in einer Duschecke durch die Wand gelangt. Aber auch durch Wasseraustritt aus Aquarien oder Wasserbetten resultierende Schäden sind nach den VGB 2010, A 4.2.5 VGB 2022 mitversichert. Bei Nässeschäden handelt es sich oftmals nicht um punktuelle Ereignisse. Vielmehr wird es sich regelmäßig um ein über einen längeren Zeitraum andauerndes Geschehen handeln, bei dem sich der Schaden durch nachlaufendes Wasser stä...