a) Ermittlungsrisiko

 

Rz. 141

Die geschilderte Vorgehensweise bei der Ermittlung des Versicherungswertes (siehe Rdn 142 ff.) begründet das Risiko, dass bereits der Versicherungswert 1914 und damit der Ausgangspunkt der Bestimmung des dem Versicherungsvertrag zugrunde zu legenden Versicherungswertes falsch ermittelt wird. Wie bereits zur Feuerversicherung ausgeführt (siehe § 5 Rdn 29 ff.), ist es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, die zutreffende Versicherungssumme zu ermitteln und zum Gegenstand des Versicherungsvertrages zu machen. Angesichts der besonderen Probleme bei der zutreffenden Ermittlung des Versicherungswertes 1914 treffen den Versicherer auch nach bisherigem Recht insoweit gesteigerte Beratungspflichten. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Ausführungen zur Feuerversicherung (siehe § 5 Rdn 33). Durch § 6 VVG haben diese nunmehr eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren. Die Beratungspflicht muss nicht mehr aus vertraglichen Nebenpflichten abgeleitet werden, sondern trifft sowohl den Versicherer als auch die Vermittler unmittelbar. Der Gebäudeversicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf die Schwierigkeiten bei der richtigen Ermittlung des Versicherungswertes 1914 und die Gefahren einer falschen Festsetzung aufmerksam zu machen. Zu einer ordnungsgemäßen Belehrung gehört auch der Hinweis, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer mit der Ermittlung des zutreffenden Versicherungswertes überfordert sein wird, so dass es sich empfehlen wird, einen Sachverständigen hinzu zu ziehen.[152] Die Beweislast für eine ausreichende Aufklärung zur Ermittlung des Versicherungswertes obliegt dem Versicherer.

[152] BGH v. 3.2.2011 – 4 ZR 171/09, VersR 2011, 622, 623.

b) Bestimmung des Versicherungswertes durch besondere Methoden

 

Rz. 142

Das aus der Gefahr einer unzutreffenden Ermittlung der Versicherungssumme resultierende Risiko einer Unterversicherung zu Lasten des Versicherungsnehmers (vgl. § 5 Rdn 33) wird durch die Regelungen des A § 11 Ziff. 1 VGB 2010 (§ 16 Nr. 3ac VGB 88) erheblich vermindert. Danach ist die Versicherungssumme 1914 richtig ermittelt (unwiderlegliche Fiktion), wenn sie nach den dort genannten Methoden festgestellt wurde.

 

Rz. 143

Gemäß A § 11 Ziff. 1 a VGB 2010 (§ 16 Nr. 3a VGB 88) gilt die Versicherungssumme 1914 als richtig ermittelt, wenn sie aufgrund einer vom Versicherer anerkannten Schätzung eines Bausachverständigen festgesetzt wird. Das praktische Problem hierbei besteht darin, dass die dadurch verursachten Kosten vom Versicherungsnehmer zu tragen sind. Da ein Bausachverständiger zur Ermittlung der Versicherungssumme 1914 ein umfangreiches Gutachten erstellen muss, sind die durch seine Beauftragung verursachten Kosten nicht unerheblich. Aus diesem Grunde hat diese Methode der Ermittlung der Versicherungssumme lediglich eine geringe praktische Bedeutung.

 

Rz. 144

Die Versicherungssumme gilt gem. A § 11 Ziff. 1 b VGB 2010 (§ 16 Nr. 3b VGB 88) außerdem als richtig ermittelt, wenn der Versicherungsnehmer im Antrag den Neuwert in Preisen eines anderen Jahres zutreffend angibt und der Versicherer diesen Betrag auf seine Verantwortung umrechnet. Auch bei dieser Methode trägt der Versicherungsnehmer allerdings die volle Verantwortung für die zutreffende Bewertung der versicherten Sachen. Wird dem Versicherer also ein unzutreffender Wert genannt, den dieser anschließend auf den Wert von 1914 umrechnet, bleibt es bei einer unzutreffenden Ermittlung der Versicherungssumme durch den Versicherungsnehmer, die im Schadenfall den Einwand der Unterversicherung nicht beseitigt. Der Versicherer trägt lediglich das Risiko der Umrechnung auf den Wert 1914. Der Versicherungsnehmer ist also letztlich wiederum darauf angewiesen, den Versicherungswert durch fachliche Hilfe eines Sachverständigen ermitteln zu lassen, um nicht das Risiko einer Unterversicherung einzugehen. Da er dabei die Kosten des Sachverständigen übernehmen muss, besitzt auch diese Methode der Ermittlung der Versicherungssumme eine relativ geringe praktische Bedeutung.

 

Rz. 145

Letztlich gilt die Versicherungssumme 1914 als richtig ermittelt, wenn der Versicherungsnehmer gem. A § 11 Ziff. 1 c VGB 2010 (§ 16 Nr. 3c VGB 88) Fragen des Versicherers im Antragsformular nach Größe, Ausbau und Ausstattung des Gebäudes zutreffend beantwortet und der Versicherer auf dieser Grundlage die Versicherungssumme 1914 auf seine Verantwortung berechnet. Die Angaben des Versicherungsnehmers werden in der Regel in einem sog. Summenermittlungsbogen erfasst. Diese Methode zur Festlegung der Versicherungssumme besitzt die größte praktische Bedeutung.

 

Rz. 146

Darüber hinaus erweitern Wohngebäudeversicherungen ihre Versicherungsangebote immer häufiger dahingehend, einen Unterversicherungsverzicht (siehe auch unten Rdn 147 ff.) auszusprechen und die zutreffende Versicherungssumme auf eigene Verantwortung zu ermitteln.

c) Unterversicherungsverzicht

 

Rz. 147

Wird die Versicherungssumme 1914 aufgrund einer der in A § 11 Ziff. 1 VGB 2010 (§ 16 Nr. 3 VGB 88) genannten Methoden (vgl. Rdn 142 ff.) wirksam ermittelt, führt dies gem. A § 11 Ziff. 2 ...

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