1. Allgemeines
Rz. 135
In A § 10 VGB 2010 (bzw. den §§ 13, 14 VGB 88) ist der Versicherungswert in der Wohngebäudeversicherung geregelt. Die VGB 2010 gehen dabei in erster Linie von einer Gleitenden Neuwertversicherung (A § 11 VGB 2010, § 13 VGB 88) aus. Abweichend hiervon kann gem. A § 10 Ziff. 1 VGB 2010 (§ 14 VGB 88) als Versicherungswert der Neuwert, der Zeitwert oder der gemeine Wert vereinbart werden. Gemäß A § 10 Ziff. 1 d VGB 2010 (§ 14 Nr. 2 VGB 88) ist auch ohne besondere Vereinbarung der gemeine Wert als Versicherungswert heranzuziehen, wenn das Gebäude zum Abbruch bestimmt oder sonst dauernd entwertet ist.
Rz. 136
Die Begriffe
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Gleitender Neuwert, |
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Neuwert, |
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Zeitwert und |
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gemeiner Wert |
werden in den VGB 2010 erstmalig definiert (A § 10 Ziff. 1 a–c VGB 2010). Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf eine Darstellung der Gleitenden Neuwertversicherung, da die weit überwiegende Zahl der Wohngebäudeversicherungsverträge auf Grundlage dieses Wertes geschlossen werden.
2. Gleitende Neuwertversicherung
Rz. 137
Haben die Vertragsparteien eine Versicherung zum gleitenden Neuwert 1914 vereinbart, errechnet sich die Entschädigungsgrenze nicht aus der (betragsmäßig viel zu niedrigen) Versicherungssumme 1914. sondern aus dem Betrag, der durch Hochrechnung der Versicherungssumme 1914 auf die heutigen Verhältnisse ermittelt wird.
3. Versicherungswert 1914
Rz. 138
Grundlage der Gleitenden Neuwertversicherung ist der Versicherungswert 1914 (A § 12 Ziff. 1 VGB 2010, § 13 Nr. 1 VGB 88). Gemäß A § 10 Ziff. 1 a aa VGB 2010 (§ 13 Nr. 2 VGB 88) ist der Versicherungswert 1914 der ortsübliche Neubauwert des Gebäudes entsprechend seiner Größe und Ausstattung sowie seines Ausbaues nach Preisen des Jahres 1914. Hierzu gehören auch Architektengebühren sowie sonstige Konstruktions- und Planungskosten.
Rz. 139
Der ortsübliche Neubauwert ist der Geldbetrag, der aufzuwenden ist, um das versicherte Gebäude auf dem Versicherungsgrundstück zu errichten, unabhängig davon, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen des Versicherungsnehmers beim Bau oder beim Kauf des Gebäudes tatsächlich gewesen sind. Um daraus den Versicherungswert 1914 zu ermitteln, wird der Gegenwartsneubauwert unter Berücksichtigung des "Gesamt-Baupreisindex" des betreffenden Jahres "heruntergerechnet". Beim Gesamtbaupreisindex handelt es sich um die Messzahlen für Bauleistungspreise und Preisindizes für Bauwerke, die regelmäßig vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht werden.
Rz. 140
Der Vorteil der Berechnung des Versicherungswertes auf der Grundlage von 1914 besteht darin, den ortsüblichen Neubauwert anhand einer unveränderlichen Größe, nämlich dem Versicherungswert 1914, zu ermitteln. Unter Berücksichtigung des Baupreisindex wird dieser Wert ständig an die aktuellen Preise angepasst. Die Anpassung hat in erster Linie den Sinn und Zweck, die Gefahr einer Unterversicherung zu vermeiden. Eine Unterversicherung ist praktisch ausgeschlossen, solange der Versicherungswert 1914 bei Abschluss des Versicherungsvertrages zutreffend erfasst und das versicherte Gebäude in der Zwischenzeit baulich nicht verändert wurde.
4. Ermittlung des Versicherungswertes 1914
a) Ermittlungsrisiko
Rz. 141
Die geschilderte Vorgehensweise bei der Ermittlung des Versicherungswertes (siehe Rdn 142 ff.) begründet das Risiko, dass bereits der Versicherungswert 1914 und damit der Ausgangspunkt der Bestimmung des dem Versicherungsvertrag zugrunde zu legenden Versicherungswertes falsch ermittelt wird. Wie bereits zur Feuerversicherung ausgeführt (siehe § 5 Rdn 29 ff.), ist es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, die zutreffende Versicherungssumme zu ermitteln und zum Gegenstand des Versicherungsvertrages zu machen. Angesichts der besonderen Probleme bei der zutreffenden Ermittlung des Versicherungswertes 1914 treffen den Versicherer auch nach bisherigem Recht insoweit gesteigerte Beratungspflichten. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Ausführungen zur Feuerversicherung (siehe § 5 Rdn 33). Durch § 6 VVG haben diese nunmehr eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren. Die Beratungspflicht muss nicht mehr aus vertraglichen Nebenpflichten abgeleitet werden, sondern trifft sowohl den Versicherer als auch die Vermittler unmittelbar. Der Gebäudeversicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf die Schwierigkeiten bei der richtigen Ermittlung des Versicherungswertes 1914 und die Gefahren einer falschen Festsetzung aufmerksam zu machen. Zu einer ordnungsgemäßen Belehrung gehört auch der Hinweis, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer mit der Ermittlung des zutreffenden Versicherungswertes überfordert sein wird, so dass es sich empfehlen wird, einen Sachverständigen hinzu zu ziehen. Die Beweislast für eine ausreichende Aufklärung zur Ermittlung des Versicherungswertes obliegt dem Versicherer.
b) Bestimmung des Versicherungswertes durch besondere Methoden
Rz. 142
Das aus der Gefahr einer unzutreffenden Ermittlung der Versicherungssumme resultierende Risiko einer Unterversicherung zu Lasten des Versicherun...