Dr. Lars Damke, Dr. Martin van Bühren
1. Allgemeines
Rz. 178
Ebenso wie in allen anderen Bereichen der Sachversicherung darf der Versicherungsnehmer auch in der Wohngebäudeversicherung nach Erstellung des Antrags auf Abschluss des Versicherungsvertrages ohne vorherige Zustimmung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch Dritte gestatten. Die gesetzlichen Grundlagen der Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Gefahrerhöhungen sind in den §§ 23 bis 26 VVG geregelt. Dort wird zwischen subjektiven, also vom Versicherungsnehmer veranlassten bzw. vorgenommenen Gefahrerhöhungen und objektiven, also nicht vom Versicherungsnehmer veranlassten bzw. ungewollten Gefahrerhöhungen in den §§ 27 und 28 VVG a.F., unterschieden.
Rz. 179
Die Einzelheiten der Gefahrerhöhung in der Wohngebäudeversicherung werden in B § 9 VGB 2010, A 21.1 VGB 2022 (§ 10 Abs. 2–4 VGB 88) geregelt. Eine Gefahrerhöhung liegt nach B § 9 Nr. 1 VGB 2010, A 21.1.1 ff. VGB 2022 vor, wenn nach der Abgabe der Vertragserklärung die tatsächlich vorhandenen Umstände so verändert werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens oder die ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers wahrscheinlicher wird. Unerhebliche Gefahrerhöhungen lösen ebenso wenig die Pflichten des Versicherungsnehmers aus wie solche Erhöhungen der Gefahr, die nach den Umständen als mitversichert gelten sollen (B § 9 Nr. 1 c VGB 2010).
2. Antragsfragen
Rz. 180
Eine Gefahrerhöhung liegt insbesondere vor, wenn sich ein gefahrerheblicher Umstand ändert, nach dem der Versicherer vor Vertragsschluss gefragt hat (B § 9 Nr. 1 b VGB 2010, A 21.1 VGB 2022).
Auch wenn dadurch das besondere Interesse des Versicherers zum Ausdruck gebracht wird, zutreffende Antworten auf die im Antragsformular gestellten Fragen zu erhalten, führt B § 9 Nr. 1 b VGB 2010, A 21.1 VGB 2022 nicht zu einer Ausweitung der in § 19 Abs. 1 VVG normierten Grundsätze über den Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Danach sind dem Versicherer sämtliche für die Übernahme der Gefahr "erheblichen" Umstände anzuzeigen. "Erheblich" in diesem Sinne sind nur Gefahrumstände, die dazu geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben. Behandelt eine im Antragsformular zum Abschluss einer Wohngebäudeversicherung gestellte Frage Umstände, die nicht "erheblich" in diesem Sinne sind, führt auch B § 9 Nr. 1 VGB 2010 zu keiner Ausweitung der Pflicht zur Anzeige einer die Gefahr erhöhender Umstände (B § 9 Nr. 1 c VGB 2010).
Rz. 181
Beispiel
Der nachträgliche Einbau einer Einbauküche stellt keine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung dar.
Rz. 182
Hinweis
Ungeachtet dessen empfiehlt es sich stets, sämtliche Umstände, die zu einer Veränderung des versicherten Risikos führen können, dem Versicherer im Zweifel und vorsorglich anzuzeigen.
3. Nicht genutzte Gebäude
Rz. 183
Eine Gefahrerhöhung kann daraus resultieren, dass ein Gebäude oder der überwiegende Teil eines Gebäudes nicht genutzt wird. Diese Gefahrerhöhung war in den VGB 88 ausdrücklich normiert (§ 10 Nr. 3b VGB 88). In den VGB 2010 und VGB 2022 sind diese Regelung nicht mehr (ausdrücklich) enthalten. Die fehlende Nutzung eines Gebäudes stellt aber auch nach den VGB 2010 eine Gefahrerhöhung dar, denn sie ist ein Umstand, der eine Vergrößerung eines Schadens im Falle des Eintritts des Versicherungsfalles wahrscheinlicher macht (B § 9 Nr. 1 a VGB 2010, A 21.1.2 VGB 2022). Handelt es sich bei dem versicherten Gebäude um ein Wohngebäude, wird die fehlende Nutzung der fehlenden Bewohnung gleichgestellt. Hintergrund des Tatbestandes ist die Tatsache, dass nicht bewohnte bzw. nicht genutzte Gebäude in besonderem Maße Anziehungspunkt für Obdachlose, Einbrecher und Randalierer sind. Gleichfalls begründen sie eine erhöhte Feuergefahr durch Brandstifter und erhöhte Gefahren für Leitungswasserschäden durch Frost. Voraussetzung der Klausel ist, dass das versicherte Gebäude tatsächlich nicht (mehr) genutzt wird, eine lediglich "nicht ständige" Nutzung reicht nicht aus.
Rz. 184
Die fehlende Nutzung des Gebäudes ist aber nur unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände und des konkreten Umfeldes des Gebäudes dazu geeignet, eine Gefahrerhöhung zu begründen. Befindet sich das versicherte unbewohnte oder unbenutzte Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft angrenzender bewohnter Gebäude, kann dieser Umstand dazu geeignet sein, die Gefahrerhöhung wieder zu beseitigen. Ergänzend wird auf die Ausführungen zu "leerstehenden Gebäuden" in der Feuerversicherung (siehe § 5 Rdn 295 ff.) verwiesen. Keine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn sich der Mieter in Untersuchungshaft befindet, jedenfalls soweit die Wohnung durch beauftragte Personen weiterhin kontrolliert wird.
4. Gewerbebetrieb
Rz. 185
Eine Gefahrerhöhung kann auch vorliegen, wenn in dem versicherten Gebäude ein Gewer...