Dr. Lars Damke, Dr. Martin van Bühren
A. Einleitung
Rz. 1
Die Wohngebäudeversicherung ist Bestandteil der Sachversicherung. Bei ihr handelt es sich um eine Versicherungsform, in der Versicherungsschutz für typische Gebäudegefahren miteinander kombiniert ist. Die Wohngebäudeversicherung bietet Versicherungsschutz für die drei Gefahrengruppen
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Brand/Blitzschlag/Explosion, |
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Leitungswasser/Rohrbruch und |
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Sturm/Hagel. |
Im Regelfall schließt der Versicherungsschutz alle genannten Gefahren ein. Der Versicherungsnehmer hat jedoch Wahlfreiheit. Er muss nicht sämtliche Gefahren versichern, sondern kann auch einzelne Gefahrengruppen unversichert lassen oder anderweitig absichern. Neben der "Standarddeckung" können weitere Risiken nach Maßgabe besonderer Vereinbarungen in den Versicherungsschutz einbezogen werden. Versicherungsschutz besteht nach A § 4 VGB 2010, nun A 5 VGB 2022 auch für Elementarschäden (Erdbeben, Überschwemmung, Rückstau, Lawinen, Erdsenkung, Schneedruck Erdrutsch und Vulkanausbruch).
Rz. 2
In ihrer typischen Ausgestaltung stellt die Wohngebäudeversicherung eine kombinierte Versicherung dar. In der verbundenen Wohngebäudeversicherung werden verschiedene Risiken zusammengefasst, die sich auf das gleiche versicherte Objekt beziehen und denen ein einheitliches Bedingungswerk zugrunde liegt, in dem sämtliche Klauseln zu den einzelnen Risiken zusammengefasst sind. Anders als in einer gebündelten Versicherung teilt jedes versicherte Risiko des kombinierten Versicherungsvertrages das Schicksal des gesamten Vertrages. Beabsichtigt der Versicherungsnehmer beispielsweise, das Risiko Leitungswasser/Rohrbruch nicht mehr zu versichern, muss er den gesamten Wohngebäudeversicherungsvertrag kündigen.
Rz. 3
Demgegenüber versteht man unter einer gebündelten Versicherung die Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Versicherungsverträge unter Zugrundelegung der für jeden einzelnen Versicherungszweig zur Anwendung kommenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgrund eines Antrages und in einem Versicherungsschein. Jeder der in dem Versicherungsvertrag zusammengefassten Versicherungsverträge behält sein eigenes versicherungsrechtliches Eigenleben, kann also separat von den anderen Versicherungsverträgen gekündigt werden. Ein Beispiel hierfür ist die gebündelte Geschäftsversicherung.
Rz. 4
Wie aus ihrem Namen bereits folgt, dient die Wohngebäudeversicherung der Absicherung typischer Risiken für Wohngebäude. Wohngebäude sind Gebäude, in denen sich Wohnungen befinden, die auch tatsächlich bewohnt werden. Dennoch ist der Anwendungsbereich der Wohngebäudeversicherung nicht auf reine Wohngebäude beschränkt. Entsprechende Versicherungsverträge können sich auch auf gemischt genutzte Gebäude beziehen, also auf Gebäude, die teilweise zu Wohnzwecken und im Übrigen zu gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Zwecken genutzt werden.
Rz. 5
Wird ein Gebäude nicht überwiegend zu Wohnzwecken genutzt, sieht die Systematik des Sachversicherungsrechts grundsätzlich vor, dass die jeweiligen Risiken nicht durch die Wohngebäudeversicherung, sondern beispielsweise durch eine Feuerversicherung nach den Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB) oder durch eine Leitungswasserversicherung nach den Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB) zu versichern sind. Der Hintergrund dieser Trennung zwischen der Nutzung eines Gebäudes zu Wohnzwecken einerseits und zu sonstigen Zwecken andererseits besteht darin, dass die jeweiligen Risiken versicherungstechnisch unterschiedlich zu bewerten sind. Zu Wohnzwecken genutzte Gebäude stellen ein geringeres Risiko als Gewerberäume dar. Diese statistisch belegte Tatsache führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Prämienkalkulationen. Wird ein Gebäude gemischt genutzt, hat der Versicherungsnehmer deshalb das latente Interesse, die zu versichernden Risiken möglichst in einer Wohngebäudeversicherung zu versichern.
Rz. 6
Ebenso wie die Feuerversicherung ist die Wohngebäudeversicherung unverzichtbarer Bestandteil des Systems über den fremdfinanzierten Erwerb von Grundstücken. Die Vergabe von Krediten zum Erwerb von bebauten oder zu bebauenden Grundstücken setzt voraus, dass der Darlehensgeber vor dem Risiko einer ersatzlosen Vernichtung oder einer Beschädigung der zu finanzierenden Sache geschützt wird. Diese Erkenntnis veranlasste den Gesetzgeber dazu, den Abschluss von Feuerversicherungsverträgen in bestimmten Fällen zur gesetzlichen Pflicht zu erheben. Darüber hinaus wurden landesrechtliche Vorschriften erlassen, nach denen öffentlich-rechtliche Gebäudemonopolversicherer gegründet wurden, bei denen Inhaber von Wohngebäuden zwingend Versicherungsschutz suchen mussten.
Rz. 7
Die Gebäudeversicherungsmonopole wurden im Zuge der europäischen Vereinheitlichung und Liberalisierung des Versicherungsrechts beseitigt. Grundlage dieser Entwicklung war die Dritte Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung vom 18.6.1992. Diese Richtlinie sieht u.a. den Wegfall der Bedingung...