Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 28
Das Gericht muss weiter durch prozessvorbereitende Maßnahmen sorgen, dass es nach Möglichkeit nicht zu einer Verzögerung kommt.
BGH NJW 2012, 2808:
Zitat
Das Gericht ist […] verpflichtet, die Verspätung durch zumutbare Vorbereitungsmaßnahmen gem. § 273 ZPO so weit wie möglich auszugleichen und dadurch eine drohende Verzögerung abzuwenden.
Je näher in dem Beispielsfall, Rdn 23, der Eingang des Schriftsatzes an den Termin vom 20.6. rückt, umso größer ist die Gefahr, dass das Gericht die Verspätung durch prozessvorbereitende Maßnahmen, also z.B. Zeugenladungen, nicht mehr ausgleichen kann.
Denn das Gericht darf auf den in dem verspäteten Schriftsatz angetretenen Zeugenbeweis hin nicht sogleich die Ladung des Zeugen verfügen, sondern muss dem Gegner zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen.
Darüber setzen sich die Gerichte allerdings häufig hinweg, und die Prozessgegner finden sich zumeist kritiklos damit ab. Der Richter beruft sich darauf, seine prozessvorbereitende Maßnahme löse noch keine Gebühr aus und er könne seine Verfügung auch jederzeit wieder aufheben, falls der Gegner des verspätet Vortragenden ihn von der Entbehrlichkeit der Beweiserhebung überzeuge. Es sollte aber der psychologische Aspekt nicht unterschätzt werden, dass ein Richter – wie jeder andere auch – zumindest eine Hemmschwelle zu überwinden hat einzuräumen, dass seine Verfügung voreilig und falsch war. Deshalb sollte eine Partei auf ihrem Recht bestehen, sich zunächst zum Vorbringen des Gegners zu äußern, bevor das Gericht auf dessen Vorbringen hin prozessvorbereitende Maßnahmen trifft.
Rz. 29
Die Verpflichtung, dem Gegner des verspätet Vortragenden zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben und vorher von prozessvorbereitenden Maßnahmen abzusehen, hat der BGH allerdings für den Fall verneint, dass die neu vorgetragenen Tatsachen bereits früher vorweggenommen bestritten worden waren.
Rz. 30
Die dem Gericht aufgegebene Vermeidung von Präklusionen durch prozessvorbereitende Maßnahmen geschieht am häufigsten dadurch, dass Zeugen zum Termin geladen werden. Kann das Gericht selbst die Zeugen nicht mehr rechtzeitig zum Termin laden, so hat es u.U. die Sistierung von Zeugen anzuregen.
Das Gericht braucht Zeugen nur im normalen Geschäftsgang zu laden; es ist nicht verpflichtet, Eilanordnungen zu treffen, um eine Präklusion zu vermeiden. Die Ladung eines zehn Tage vor dem Termin benannten Zeugen gilt jedoch als zumutbar.
Rz. 31
Dass die vorgesehene Terminsstunde nicht ausreicht, um alle von den Parteien benannten Zeugen zu vernehmen, rechtfertigt nicht generell, den Beweisantritt insgesamt nicht mehr zuzulassen. Selbst wenn sechs Zeugen benannt sind, darf das Gericht deren Vernehmung noch nicht unter Berufung auf Zeitmangel ablehnen. In einer weiteren Entscheidung hat der BGH es aber gebilligt, dass das Berufungsgericht die Ladung von acht verspätet benannten Zeugen als unzumutbar abgelehnt hat, zumal auch noch weitere Bereiche hätten aufgeklärt werden sollen.
BGH NJW 1999, 3272, 3273:
Zitat
Zumutbar sind vorbereitende Maßnahmen ohne Weiteres nur dann, wenn es sich um einfache und klar abgegrenzte Streitpunkte handelt, die sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung ohne unangemessenen zeitlichen Aufwand klären lassen […]. Zwar stellt die Vernehmung eines oder mehrerer greifbarer Zeugen für sich keinen unzumutbaren Zeitaufwand dar […]. Dies gilt aber nicht schrankenlos.
Rz. 32
Ein früher gern angewandter taktischer Kniff bleibt aber auch nach dieser neueren Rspr. weitgehend wirkungslos: Benennt der Gegner verspätet drei Zeugen, nützt es nichts, drei Gegenzeugen zu benennen, um dadurch das Gericht wegen Zeitmangels außerstande zu setzen, die Sache in einem Termin zum Abschluss zu bringen. Denn das Gericht darf die Partei mit ihren verspätet benannten Beweismitteln nicht unter Berufung auf Zeitmangel ausschließen; es muss die Sache vertagen, § 227 ZPO.
Rz. 33
Eine andere Frage ist, wie mit den verspätet benannten Hauptzeugen zu verfahren ist, wenn die Gegenzeugen nicht mehr rechtzeitig zum Termin geladen werden können. Dann wäre eine Vertagung erforderlich, die ihre Ursache in dem verspäteten Beweisantritt hätte; das rechtfertigt dann die Zurückweisung des verspäteten Beweisantritts.
Rz. 34
Erscheinen verspätet benannte, prozessvorbereitend geladene Zeugen nicht, haben die Instanzgerichte sich früher darauf berufen, ihrerseits alles getan zu haben, um die Verspätung auszugleichen, und den verspäteten Beweisantritt nunmehr zurückgewiesen. Nach der Rspr. des BGH muss jedoch in einem solchen Fall der Verhandlungstermin vertagt und die nicht erschienenen Zeugen müssen erneut geladen werden. Es soll einer Partei nicht zum Nachteil gereichen, dass ein Zeuge verhindert ist oder aus anderen Gründen nicht kommt.
Wenn auch widerstrebend, haben sich die Oberlandesgerichte inzwischen dieser Rspr. gebeugt. Um Vertagungen zu vermeiden, sind sie aber dazu übergegangen, sehr viel zurückhaltender die Zeugenvernehmung erste...