1. Kündigung aus anderen Gründen
Rz. 78
Die Kündigung aus anderen Gründen – personen-, verhaltens-, aber auch betriebsbedingte Kündigungen – ist zulässig (§ 613a Abs. 4 S. 2 BGB). Der Arbeitgeber kann sich auf Gründe berufen, die ihren Ursprung in anderen betrieblichen Erfordernissen haben. Grds. ist daher eine Kündigung nach den allgemeingültigen Grundsätzen zu beurteilen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der ordentlichen als auch der außerordentlichen Kündigung (ErfK/Preis, BGB, § 613a Rn 154–156).
Rz. 79
Zu den sachlichen Gründen, die eine Kündigung trotz Betriebsüberganges rechtfertigen, können zählt die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Unternehmers im Kündigungszeitpunkt (BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05). Beachtlich ist aber, dass sich die Betriebsstilllegung und der Betriebsübergang gegenseitig ausschließen (BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01; BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05). Daher sind betriebsbedingte Kündigungen nur dann wirksam, wenn mit diesen nicht die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB umgangen werden sollen. Demgemäß ist die betriebsbedingte Kündigung nur dann wirksam, wenn sich der Betriebsübergang erst nach dem Ausspruch der Kündigung ergibt. Unter Umständen entsteht dann ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers (s. hierzu Rdn 94 ff.). Im Fall einer Teil- oder Vollstilllegung ist der Arbeitgeber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach deren Durchführung auszusprechen (BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 103/96; BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 118/96). Vielmehr kann er die Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung wirksam bereits dann erklären, wenn die betrieblichen Umstände bereits "greifbare" Formen angenommen haben und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG v. 23.3.1984 – 7 407/82; BAG v. 23.3.1984 – 7 AZR 409/82; BAG v. 22.7.1992 – 2 AZR 84/92; BAG v. 4.3.1993 – 2 AZR 451/92, AP § 1 KSchG 1969 Nr. 60 = EWiR 1993, 805 m. Anm. Schaub = NZA 1993, 840; BAG v. 22.1.1998 – 8 AZR 775/96, DZWIR 1998, 334 m. Anm. Franzen = NZA 1998, 638; BAG v. 18.1.2001 – 2 AZR 167/00). Die "greifbaren Formen" können je nach den Umständen des Einzelfalles die Gründe für die Stilllegungsabsicht (BAG v. 19.12.1991 – 2 AZR 402/91; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 161) oder auch ihre Durchführungsformen (BAG v. 19.6.1991 – 2 AZR 127/91; LAG München v. 23.1.1991 – 5 Sa 315/89) betreffen. Dabei steht – was in der arbeitsgerichtlichen Praxis vielfach übersehen wird – der bloße Vorbehalt des Insolvenzverwalters, falls sich wider Erwarten in der Folgezeit doch noch eine Möglichkeit zur Betriebsveräußerung ergeben sollte, werde er die Chance wahrnehmen, seiner ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht im Kündigungszeitpunkt nicht entgegen (BAG v. 7.3.1996 – 2 AZR 312/95; zust. LAG Rheinland-Pfalz v. 18.1.2002 – 10 Sa 350/01), denn er muss sich während der gesamten Dauer des Insolvenzverfahrens stets um die bestmögliche Verwertung der Insolvenzmasse bemühen. Zu beachten ist beim Zusammentreffen des Betriebsteilübergangs mit einer Teilbetriebsstilllegung aber, dass sich die Sozialauswahl auf den ganzen Betrieb beziehen muss (BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03).
Rz. 80
Sachliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung sind auch organisatorische Maßnahmen zur Erhaltung und zur Fortführung des Betriebes. Organisatorische Maßnahmen sind bspw. personelle Maßnahmen, wenn i.R.d. Neuorganisation (leitendes) Personal ausgewechselt wird. Werden vor oder nach Betriebsübergang Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt, kann hierauf eine betriebsbedingte Kündigung des Betriebsveräußerers bzw. des Betriebserwerbers gestützt werden. Der § 613a Abs. 4 S. 1 BGB schützt nicht vor Risiken, die sich jeweils unabhängig vom Betriebsübergang ergeben (Erman/Hanau, § 613a BGB Rn 111; Schumacher-Mohr, NZA 2004, 629, 630). Insofern ist auch eine Anpassung an die wirtschaftliche Lage und eine Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines Betriebsübergangs ("Übertragende Sanierung") möglich (Ascheid, NZA 1991, 873, 878, m.w.N.; Berscheid, KGS, "Betriebsübergang/Betriebsinhaberwechsel" Rn 106; s. zur Kündigung wegen "Übertragender Sanierung" Hanau, ZIP 1984, 141, 142 ff.). Gerade der Personal- und Stellenabbau zur Kostenreduzierung kann nämlich zur Verbesserung des defizitären Betriebsergebnisses bzw. zur Sanierung des Betriebes eine betriebsbedingte Kündigung bedingen (LAG Köln v. 12.5.1995 – 13 Sa 1184/94), aber auch eine Massenentlassung rechtfertigen, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass die entlassenen Arbeitnehmer nicht ersetzt werden sollen und auch nicht ersetzt worden sind.
Rz. 81
Besondere Beachtung fand die Veräußererkündigung im Hinblick auf ein Erwerberkonzept. Auch diese Kündigung ist als betriebsbedingte Kündigung grds. wirksam (BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81; BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 613a Rn 193; krit. Küttner/Kreitner, Personalbuch, "Betriebsübergang", Rn 90). Es werden hierdurch nicht dem Veräußerer neue ...