Rz. 48
Gem. § 613a Abs. 1 S. 3 BGB besteht die individualvertragliche Fortgeltung von Tarifnormen und Betriebsvereinbarungen nach S. 2 nicht, wenn der betroffene Regelungsbereich beim Erwerber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Darin kommt die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Anpassung und Vereinheitlichung der materiellen Arbeitsbedingungen unter dem neuen Betriebsinhaber zu erleichtern.
Rz. 49
Der kollektivrechtlich geltende neue Tarifvertrag verdrängt die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten, individualrechtlich geltenden normativen Regelungen eines anderen Tarifvertrages, ohne dass die Veränderungssperre von einem Jahr greift (BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00; BAG v. 18.11.2003 – 1 AZR 604/02; vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 123 m.w.N. Dabei ist es unbedeutend, ob sich die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers durch die Ablösung verschlechtern oder verbessern (BAG v. 11.5.2005 – 4 AZR 315/04). Zwar gilt bei der Ablösung einer individualvertraglichen Regelung grds. das Günstigkeitsprinzip, jedoch soll der Arbeitnehmer nicht bessergestellt werden, als er ohne Betriebsübergang stünde. Somit findet das Ablösungsprinzip Anwendung, die Regelung ist nur entsprechend ihrem kollektivrechtlichen Ursprung geschützt (BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00; BAG v. 18.11.2003 – 1 AZR 604/02; BAG v. 11.5.2005 – 4 AZR 315/04).
Rz. 50
Hierbei kommt es nicht darauf an, dass der Tarifvertrag bzw. die Betriebsvereinbarung schon vor dem Betriebsübergang beim Erwerber bestand, es genügt auch, wenn diese erst nachher abgeschlossen wird (BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 640/84; BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 619/00; BAG v. 11.5.2005 – 4 AZR 315/04). Zur Ablösung durch einen Tarifvertrag nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB ist zum einen die Tarifgebundenheit sowohl des neuen Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers an den "Erwerbertarifvertrag" erforderlich, die einseitige Tarifbindung des Arbeitgebers ist nicht ausreichend (BAG v. 30.8.2000 – 4 AZR 581/99; BAG v. 21.2.2001 – 4 AZR 18/00; BAG v. 11.5.2005 – 4 AZR 315/04). Ebenso ist bei einer ablösenden Betriebsvereinbarung erforderlich, dass der übernommene Betrieb dieser Betriebsvereinbarung unterliegt. Dies ist nicht der Fall, wenn dieser seine Identität behält (BAG v. 1.8.2001 – 4 AZR 82/00).
Rz. 51
Weiterhin müssen die beim Erwerber geltenden ablösenden Regelungen denselben Regelungsgegenstand betreffen wie die abzulösenden Regelungen (BAG v. 1.8.2001 – 4 AZR 82/00). Derselbe Regelungsgegenstand ist dann betroffen, wenn eine beim Veräußerer geregelte Frage eine entsprechende Regelung beim Erwerber erfahren hat (BAG v. 20.4.1994 – 4 AZR 342/93; BAG v. 22.1.2003 – 10 AZR 227/02; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 123).
Rz. 52
Es kann grds. auch zu einer sog. Überkreuzablösung kommen. Das bedeutet, dass eine Betriebsvereinbarung im Erwerberbetrieb einen nachwirkenden Tarifvertrag im übernommenen Betrieb ablöst, jedoch nur, wenn sie der Sache nach denselben Gegenstand regelt und der Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG einer Regelung durch Betriebsvereinbarung nicht entgegensteht. Fehlt es an der letzteren Voraussetzung, so gilt für tarifgebundene Arbeitnehmer im übernommenen Betrieb gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB weiterhin die nachwirkende tarifliche Regelung (BAG v. 1.8.2001 – 4 AZR 82/00). Eine Überkreuzlösung kann nur für den Bereich der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats gegeben sein. Ist der tariflich geregelte Bereich nur teilmitbestimmt oder beruht eine Betriebsvereinbarung auf Freiwilligkeit, so kann hierdurch nicht ein individualrechtlich weiter geltender Tarifvertrag abgelöst werden (BAG v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06).