Dr. K. Jan Schiffer, Matthias Pruns
A. Typische Sachverhalte
Rz. 1
Die Sachverhalte, bei denen an die Errichtung einer Stiftung gedacht wird, sind äußerst vielfältig. Sie reichen von der kleinen gemeinnützigen Stiftung bis zur großen unternehmensverbundenen Stiftung zur Sicherung der Unternehmensnachfolge in einem mittelständischen Unternehmen.
Einschlägige Anmerkungen zu aktuellen Entwicklungen im Stiftungswesen finden sich auf www.stiftungsrecht-plus.de, insbesondere auch zur aktuell (April 2021) noch nicht abgeschlossenen Diskussion um eine Reform des Stiftungsrechts (siehe Rdn 12). Betrachten wir exemplarisch drei typische Sachverhalte:
Rz. 2
1. Sachverhalt: Herr Zufrieden schaut nach seiner Pensionierung auf ein erfolgreiches Berufsleben als Ministerialbeamter zurück. Er hat ein sehr gutes Auskommen und hat vor kurzem 100.000 EUR geerbt. Er hat sich schon seit Jahren ehrenamtlich in der Jugendhilfe engagiert. In der Zeitung hat er in letzter Zeit vermehrt über die Möglichkeit der Errichtung einer Stiftung gelesen. Er möchte beraten werden, wie er eine Stiftung errichten kann, um sein aktuelles Erbe sinnvoll einzusetzen.
Rz. 3
2. Sachverhalt: Unternehmer Erfolgreich hat keine Nachkommen. Er hält die Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH, die von seinen Eltern gegründet wurde. Darüber hinaus verfügt er über ein erhebliches von ihm selbst geschaffenes Privatvermögen und möchte gerne auch "etwas Gutes" tun. Er will die Selbstständigkeit des "Familienunternehmens" erhalten und möchte ggf. einen sinnvollen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Vor allem befürchtet er, da er keine Kinder hat, die hohe Erbschaftsteuerbelastung für entferntere Verwandte, die (theoretisch) als Erben in Frage kämen. Er hat gehört, dass die Erbschaftsteuer regelmäßig zur Folge hat, dass Gesellschaftsanteile veräußert werden müssen, soweit das Privatvermögen für die Steuer nicht ausreicht. Von seinem Steuerberater erfährt er, dass die Einsetzung einer gemeinnützigen und deshalb steuerbefreiten Stiftung zum Erbe des Unternehmers oder zumindest wesentlicher Anteile dieses Problem möglicherweise lösen könnte. Dazu möchte er rechtlich beraten werden.
Rz. 4
3. Sachverhalt: Der Unternehmer Innig hat mehrere Kinder, von denen keines die Unternehmensnachfolge in seiner GmbH & Co. KG antreten möchte, die er aber "absichern" will. Er hat gehört, eine unternehmensverbundene Stiftung unter Einbindung eines "Fremdgeschäftsführers" könnte eine Lösung für ihn sein. Er sucht seinen Anwalt auf, um zu hören, wie er eine solche Stiftung errichten kann.
B. Rechtliche Grundlagen
I. Die Stiftung als aktuelles Thema
Rz. 5
Die Stiftung und Stiftungsgestaltungen sind spätestens seit der Jahrtausendwende zunehmend ein Thema für die rechts- und steuerberatende Praxis geworden. Man sprach und spricht von einer Renaissance der Stiftungskultur. Das gilt nicht nur für Stiftungsgestaltungen als Weg zur Unternehmenssicherung, sondern auch außerhalb des unternehmerischen Bereiches. Das zeigt sich u.a. in der großen Anzahl einschlägiger Publikationen und in der Zahl der jährlich neu errichteten Stiftungen. Derzeit gibt es deutlich über 23.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland, die überwiegend gemeinnützige Stiftungszwecke verfolgen. Die Hälfte wurde allein im vergangenen Jahrzehnt errichtet: durchschnittlich 891 Stiftungen pro Jahr zwischen 2001 und 2010. Aktuell werden knapp 500 bis 700 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts pro Jahr errichtet. Man kann durchaus von einer "Reformrendite" sprechen. Der Gesetzgeber hat nämlich durch die Reformen des Stiftungszivilrechts (2002 und 2013) sowie des (Stiftungs-)Steuerrechts (2000, 2007 und 2013) die Errichtung von Stiftungen erheblich gefördert. Zählt man die in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und die im vergangenen Jahrzehnt neu errichteten Stiftungen zusammen, so kommt man auf rund 70 % der heute in Deutschland existierenden Stiftungen.
Die jährlich neu hinzukommenden unselbstständigen Stiftungen ("Treuhandstiftungen") sind ungezählt. Man hört von Schätzungen, die von der Existenz von über 40.000 unselbstständigen Stiftungen ausgehen, ohne dass es dafür aber einen konkreten Beleg gibt.
Als prominente Namen im Zusammenhang mit Stiftungen sind etwa zu nennen: Mohn, Würth, "Ikea", Kirch, Eckernkamp (Vogel-Verlag), Brandstätter ("Playmobil"), Werner ("dm") oder auch Michael Stich, Jürgen Klinsmann und Thomas Gottschalk.
Rz. 6
Es sind drei Hauptgruppen von Motiven für die Errichtung von Stiftungen zu unterscheiden, die einzeln oder auch kombiniert auftreten können:
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Gemeinnützige und mildtätige Motive (Fall der steuerbefreiten Stiftung; siehe Rdn 54 ff.), |
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der Wunsch nach einer langfristigen finanziellen Absicherung der Familie (Fall der Familienstiftung; siehe Rdn 39 ff.); |
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der Wunsch, die Selbstständigkeit eines (Familien-)Unternehmens aufrechtzuerhalten, die Unternehmensnachfolge zu sichern, das eigene Lebenswerk oder das Werk, das von der Familie über viele Generationen aufgebaut wurde, zu erhalten (Fall der unternehmensverbundenen Stiftung; siehe Rdn 44 ff.). |
Rz. 7
Da das Thema erfahrungsgemäß nicht j...