1. Abgabe
Rz. 28
Es gilt das Gleiche wie bei einer "Verweisung" unter Rdn 140.
2. Abschlusserklärung
Rz. 29
Abmahnung und Abschlusserklärung sind dieselbe Angelegenheit, da sie den Hauptsacheanspruch betreffen. Daher richtet sich die Vergütung insgesamt nach altem Recht, wenn der Auftrag zur Abmahnung vor dem 1.1.2021 erteilt worden ist.
Beispiel 13: Abmahnung und einstweilige Verfügung
Der Anwalt hatte im November 2020 eine Abmahnung ausgesprochen. Da darauf nicht reagiert wurde, hat er im Dezember eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt. Im Januar hat der Anwalt den Gegner zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert, die dieser auch erteilt hat.
Die Abschlusserklärung löst keine neue Angelegenheit aus, sondern führt allenfalls zur Erhöhung des Gebührensatzes der Geschäftsgebühr, die bereits durch die Abmahnung ausgelöst worden ist (siehe § 19 Rdn 171 ff.). Die gesamte Geschäftstätigkeit richtet sich nach altem Recht.
3. Anfechtung eines Vergleichs
Rz. 30
Das Verfahren vor und nach Anfechtung eines Prozessvergleichs ist eine einzige Angelegenheit, da der Streit über die Wirksamkeit in demselben Verfahren ausgetragen wird. Daher bleibt es beim alten Gebührenrecht, wenn der Vergleich vor dem 1.1.2021 geschlossen und nach dem 31.12.2020 angefochten worden ist.
Beispiel 14: Anfechtung eines Prozessvergleichs (I)
Im Juli 2020 war ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden. Im Oktober 2021 wurde die Anfechtung des Vergleichs erklärt.
Der Streit über die Anfechtung wird im selben Verfahren ausgetragen (siehe § 13 Rdn 208 ff.). Es bleibt daher bei derselben Angelegenheit und damit beim alten Gebührenrecht.
Rz. 31
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Anwalt erstmals mit der Anfechtung des Vergleichs beauftragt worden ist.
Beispiel 15: Anfechtung eines Prozessvergleichs (II)
Im Juli 2020 war ein Vergleich geschlossen worden. Im Oktober 2021 beauftragte der Beklagte einen neuen Anwalt, der die Anfechtung des Vergleichs erklärte.
Jetzt gilt für den neuen Anwalt des Beklagten neues Gebührenrecht, während es für den bisherigen Anwalt des Klägers beim alten Gebührenrecht bleibt.
Rz. 32
Neues Recht ist allerdings anzuwenden, wenn zwischen Vergleich und Anfechtung mehr als zwei Kalenderjahre liegen. Dann ist das Verfahren nach Anfechtung gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine neue Angelegenheit, sodass dann neues Recht gilt.
Beispiel 16: Anfechtung eines Prozessvergleichs (III)
Im Juli 2019 war ein Vergleich geschlossen worden. Im Oktober 2022 wurde die Anfechtung des Vergleichs erklärt.
Jetzt liegt nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine neue Angelegenheit vor, sodass für das Verfahren über die Anfechtung für beide Anwälte neues Recht gilt.
Rz. 33
Gleiches gilt bei der Anfechtung eines außergerichtlichen Vergleichs.
4. Anrechnung
Rz. 34
Bei aufeinander anzurechnenden Gebühren liegen grundsätzlich verschiedene Angelegenheiten vor. Dies gilt insbesondere für zeitlich aufeinander folgende Tätigkeiten wie Beratung, außergerichtliche Vertretung, Mahnverfahren, Rechtsstreit etc. Das bedeutet, dass zunächst einmal jede Angelegenheit für sich nach dem für sie geltenden Gebührenrecht abzurechnen ist. Für die jeweilige Angelegenheit ist der Tag der Auftragserteilung, bzw. Bestellung oder Beiordnung maßgebend.
Rz. 35
Für die Anrechnung gelten sodann folgende Grundsätze:
▪ |
Die Anrechnung selbst bestimmt sich nach dem Recht der Angelegenheit, in der angerechnet wird. |
▪ |
Die anzurechnenden Beträge richten sich dagegen nach dem Recht der Angelegenheit, aus der sie herrühren. |
Rz. 36
Dies kann also dazu führen, dass in der nachfolgenden Angelegenheit bereits nach neuem Gebührenrecht ab- und angerechnet wird, die anzurechnenden Beträge sich aber nach altem Gebührenrecht richten.
Rz. 37
Die Anrechnung bei Wertgebühren, wenn sich zwischen den Angelegenheiten das Gebührenrecht ändert, ist relativ einfach. Die vorangegangene Angelegenheit richtet sich dann noch nach den alten Wert-Gebührenbeträgen, während sich die neue Angelegenheit bereits nach den neuen Wert-Gebührenbeträgen richtet. Angerechnet wird dann nach den alten Gebührenbeträgen. Das muss so sein, denn es kann nicht mehr angerechnet werden, als der Anwalt verdient hat.
Beispiel 17: Beweisverfahren und Hauptsache
Der Anwalt war im November 2020 beauftragt, ein Beweisverfahren über 10.000,00 EUR einzuleiten. Das Beweisgutachten ist in Januar 2021 vorgelegt worden. Daraufhin wurde Hauptsacheklage erhoben.
Im Beweisverfahren gelten noch die alten Gebührenbeträge, sodass wie folgt abzurechnen ist:
I. |
Selbstständiges Beweisverfahren (altes Recht) |
|
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
725,40 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
745,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
141,63 EUR |
Gesamt |
|
887,03 EUR |
Im Hauptsacheverfahren ist dagegen bereits nach den neuen Gebührenbeträgen abzurechnen. Angerechnet wird die volle 1,3-Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens, und zwar nach den alten Beträgen. Würde man hier nach neuen Beträgen an...