Rz. 422
Das Adhäsionsverfahren verfolgt den für den Verletzten praktischen Zweck, über mögliche aus der Straftat erwachsende vermögensrechtliche Ansprüche innerhalb des Strafverfahrens zu entscheiden. Dies ist aber nur möglich, soweit der Anspruch nicht bereits anderweitig rechtshängig gemacht wurde und er der Zivilgerichtsbarkeit unterfällt, § 403 Abs. 1 StPO. Für den Verletzten hat das Adhäsionsverfahren den Vorteil, dass über den vermögensrechtlichen Anspruch zeitgleich mit der Straffrage entschieden wird und die Gefahr einer differierenden Beurteilung durch Strafgericht und Zivilgericht nicht besteht.
Rz. 423
Das Adhäsionsverfahren erfordert einen besonderen Antrag des Verletzten oder seiner Erben. Dies ist eine von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensvoraussetzung. Gemäß § 404 Abs. 1 StPO kann der Antrag schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden. Er muss den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und sollte die entsprechenden Beweismittel enthalten, § 404 Abs. 1 S. 2 StPO. Wegen der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO, die auch im Adhäsionsverfahren gilt, ist die Angabe der Beweismittel aber nicht zwingend erforderlich.
Rz. 424
In der Regel ist auch im Adhäsionsantrag der geforderte Geldbetrag zu beziffern. Davon kann abgewichen werden, wenn seine Höhe erst durch einen Sachverständigen festgestellt werden muss oder wenn die Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, was besonders bei Schmerzensgeldansprüchen zulässig ist. Die Verurteilung zu Schmerzensgeld erfordert regelmäßig die ausdrückliche Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Schädiger und Geschädigtem, wobei sich im Einzelfall eine ausreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils ergeben kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen stehen Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten im Vordergrund. Daneben spielt auch der Grad des Verschuldens eine Rolle: Besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers, wie rücksichtsloser Leichtsinn oder gar Vorsatz, können den Gedanken weitgehend verdrängen, den Schädiger vor wirtschaftlicher Not zu bewahren.
Rz. 425
Gemäß § 406 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich die Entscheidung des Gerichts auf den Grund des Anspruchs beschränken und die Verhandlung über die Schadenshöhe gem. § 406 Abs. 3 S. 4 StPO dem zuständigen Zivilgericht überlassen werden.
Rz. 426
Über den Antrag wird dann in der Hauptverhandlung selbst entschieden, wobei eine besondere Beweisaufnahme zulässig ist. Es besteht die Möglichkeit des Vergleichsschlusses, § 405 StPO, sowie eines Anerkenntnisses durch den Angeklagten, § 406 Abs. 2 StPO. Der Erlass eines Verzichtsurteils nach § 306 ZPO ist aber im Adhäsionsverfahren nach ganz überwiegender Ansicht weiterhin unzulässig. Das Gericht kann dem Antrag (teilweise) stattgeben oder von einer Entscheidung absehen, nicht aber den Antrag zurückweisen. Ein nicht zugesprochener (Teil-)Anspruch kann dann weiter vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden, weil es hier an einer rechtskräftigen Sachentscheidung mangelt. Nach § 406 StPO ist das Absehen von einer Entscheidung nur noch dann möglich, wenn der Angeklagte nicht verurteilt wurde und auch keine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wurde, der Adhäsionsantrag unzulässig ist oder der Anspruch unbegründet erscheint und schließlich, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die weitere Prüfung das Verfahren – auch wenn nur eine Entscheidung über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt – erheblich verzögern würde. Dies gilt aber nicht, soweit mit dem Adhäsionsantrag Schmerzensgeld geltend gemacht wird, vgl. § 406 Abs. 1 S. 6 StPO.
Rz. 427
Zu den Besonderheiten des Adhäsionsverfahrens gehört es, dass dem Antragsteller nur das strafprozessuale Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 406a Abs. 1 StPO zusteht, wenn von der Entscheidung über den Antrag abgesehen wird und dieser vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden war. Außerdem ist ein Adhäsionsverfahren gegen Jugendliche gem. §§ 81, 104 Abs. 1 Nr. 14 JGG unzulässig. Im Verfahren gegen Heranwachsende ist jedoch die Durchführung eines Adhäsionsverfahrens möglich. Gemäß § 404 Abs. 5 StPO kann dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt werden.