Rz. 249
Die Vorschriften zur Zuständigkeit gewährleisten den Anspruch des Angeschuldigten auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, denn sie geben abstrakt darüber Auskunft, welches Gericht im jeweiligen Fall zu entscheiden hat. Eine Zuständigkeit des Gerichts als solches gibt es nicht. Die jeweilige Zuständigkeit des Gerichts ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zu prüfen. Es ist zwischen örtlicher, sachlicher und funktioneller Zuständigkeit zu unterscheiden. Den Begriff der funktionellen Zuständigkeit kennt das Gesetz selbst nicht. Allgemein werden darunter alle Zuständigkeitsregelungen verstanden, die nicht unter die örtliche und sachliche Zuständigkeit fallen.
a) Zuständigkeit besonderer Strafkammern gem. § 6a StPO und §§ 74 Abs. 2, 74a und 74c GVG
Rz. 250
Neben der allgemeinen großen Strafkammer, die für alle Verbrechen zuständig ist, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts fallen, existieren besondere Strafkammern, die für bestimmte Deliktsgruppen zuständig sind, sich dabei aber weder in ihrer Strafkompetenz noch in ihrer richtermäßigen Besetzung von den normalen großen Strafkammern unterscheiden. Besondere Kammern sind eingerichtet als
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Schwurgerichtskammern für die im Katalog des § 74 Abs. 2 GVG aufgezählten Taten; |
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Wirtschaftskammern nach § 74c GVG; |
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Sonderstrafkammern für Staatsschutzdelikte nach § 74a GVG. |
Rz. 251
Nach § 6 StPO müsste sich die normale Strafkammer, nachdem sie erkannt hat, dass eine Zuständigkeit der besonderen Strafkammer vorliegt, für unzuständig erklären und die Sache verweisen. § 6a StPO dient der Verfahrensvereinfachung und stellt insoweit eine Ausnahme dar. § 6a StPO legt nämlich verschiedene Zeitpunkte fest, ab denen die Feststellung der Unzuständigkeit für das Verfahren keine Rolle mehr spielt: Zum einen den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens, zum anderen den Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache in der Hauptverhandlung. Rügt der Angeklagte die Unzuständigkeit der normalen Strafkammer nicht zu dem von § 243 Abs. 5 S. 1 StPO bezeichneten Zeitpunkt, also wenn er nach entsprechender Belehrung gefragt wird, ob er sich zur Sache äußern wolle oder nicht, ist er mit dem Einwand der Unzuständigkeit ausgeschlossen. Er ist mithin präkludiert. Eine Wiedereinsetzung nach § 44 StPO ist nicht möglich, da es sich um eine Ausschlussfrist handelt.
b) Wahl des örtlich zuständigen Gerichts durch die Staatsanwaltschaft
Rz. 252
Nicht selten kommt es vor, dass die Wahl des Gerichts, vor dem die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, der Verteidigung nicht ins Konzept passt. Dieses Wahlrecht liegt nicht so sehr in den verschiedenen Anknüpfungspunkten der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 7 ff. StPO begründet, sondern vielmehr in der Stellung der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens. Sind mehrere Gerichte örtlich zuständig, kann sie wählen, bei welchem Gericht sie Anklage erheben will. Natürlich ist sie in ihrer Entscheidung nicht frei, darf also nicht willkürlich eine Wahl treffen, doch steht dem Verteidiger gegen die getroffene Wahl keinerlei Einwirkungsrecht zu. Er kann gegenüber der Staatsanwaltschaft nur geltend machen, dass eine Anklageerhebung vor dem von der Verteidigung gewünschten Gericht, etwa wegen des geringeren Anfahrtsweges, sachdienlich wäre. Der das Zusammentreffen verschiedener Gerichtsstände betreffende § 12 StPO wird erst dann relevant, wenn der Fall bereits bei verschiedenen, örtlich zuständigen Gerichten anhängig ist. Dabei ist zu beachten, dass der Angeklagte den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit nach § 16 S. 3 i.V.m. § 243 Abs. 5 S. 1 StPO wie bei § 6a StPO nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache geltend machen kann.
c) Grenzen und das Verhältnis der Strafgewalt von Strafrichter und Schöffengericht
Rz. 253
Die §§ 24, 25 GVG regeln sowohl die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als auch die Zuständigkeit von Strafrichter und Schöffengericht zueinander. Das Amtsgericht ist nach § 24 Abs. 1, 2 StPO sachlich zuständig, wenn nicht
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die Zuständigkeit des Schwurgerichts, der Staatsschutzkammer oder des OLG zwingend gegeben ist; |
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eine höhere Strafe als vier Jahre oder bestimmte Maßregeln zu erwarten sind; |
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die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles zum Landgericht anklagen will. |
Rz. 254
Das Amtsgericht bildet die Spruchkörper des Strafrichters und die des Schöffengerichts. Die Strafbanngrenze liegt bei vier Jahren. Ob sie erreicht wird, ist anhand einer Überschlagsrechnung spätestens bei Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht zu überprüfen. Zwar ist hier allein die Auffassung des Gerichts maßgeblich, doch sollte bereits an dieser Stelle der Verteidiger dem Gericht mögliche Bedenken mitteilen. Dies gilt ebenso in den Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles beim Landgericht Anklage erheben will. Überschreitet das Amtsgericht seinen Strafrahmen, führt das zur Unzuständigkeit des Gerichts, die nach § 338 Nr. 4 StPO gerügt werden kann, wobei der Mangel von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
Rz. 255
Der Strafrichter ist nach § 25 GVG für Vergehen zuständig, die im Privatklageweg verfolgt werden, sowie für ande...