a) Einleitung
Rz. 337
Die Beweisaufnahme ist der Teil der Hauptverhandlung, in dem sämtliche für die Schuld- und Straffrage relevanten Tatsachen und Erfahrungssätze durch Erhebung der im Gesetz vorgesehenen Beweismittel geklärt werden sollen. Wichtigstes Prinzip der Beweisaufnahme ist neben dem Grundsatz der Unmittelbarkeit die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO. Diese verlangt, dass das Gericht die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen ausdehnt, die für die Urteilsfindung von Bedeutung sind. Das hat natürlich nicht zur Folge, dass alle Beweismittel vollumfänglich erschöpft werden müssen. Das Gericht hat aber allen denkbaren und sinnvollen Möglichkeiten zur Aufklärung des angeklagten Sachverhalts nachzugehen.
Der Verteidiger ist derjenige Verfahrensbeteiligte, der durch den Angeklagten – und neben dem Angeklagten – die größte Informationsdichte besitzt. Dies bedeutet aber auch, dass er die Verantwortung dafür trägt, dass unbekannte oder unklare Umstände aufgedeckt werden. Der Verteidiger kann das Gericht durch einen Beweisantrag dazu veranlassen, sich mit einem bestimmten Beweisthema zu befassen. Das gilt selbst für den Fall der Ablehnung. Lehnt das Gericht den Antrag ab, hat es sich darüber zu erklären, welche Gründe es für die Nichterhebung sieht. Auch die Ablehnung von Beweisanträgen kann sehr arbeitsintensiv sein, insbesondere wenn der Verteidiger den Antrag schlüssig formuliert hat.
Grundsätzlich gilt es drei unterschiedliche Vorbringen der Verteidigung zu unterscheiden:
Rz. 338
Der Beweisantrag ist in § 244 Abs. 1 StPO dahingehend definiert, dass der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben, und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Nur ein solcher Beweisantrag unterliegt den strengen Ablehnungsvorschriften der §§ 244 Abs. 3–5, 245 Abs. 2 S. 2, 3 StPO.
Rz. 339
Der Beweisermittlungsantrag zeichnet sich dadurch aus, dass verlangt wird, das Gericht möge in bestimmter Weise und Richtung ermittelnd tätig werden, wobei der Antrag aber entweder keine Beweisbehauptung oder aber kein Beweismittel angibt. Der Beweisermittlungsantrag ist kein Beweisantrag und kann damit vom Gericht auch aus anderen Gründen als den in den oben genannten Vorschriften zurückgewiesen werden. Dennoch kann der Beweisermittlungsantrag das Gericht im Rahmen seiner allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu einer Nachforschung verpflichten.
Rz. 340
Die Beweisanregung will das Gericht zu einer weiteren, unter Umständen bestimmten Ermittlungstätigkeit anstoßen, wird aber nicht förmlich beantragt und muss deshalb auch nicht förmlich beschieden werden. Die Beweisanregung ist ein unverbindlicher Beweiserhebungsauftrag. Aber auch für ihn gilt, dass das Gericht aufgrund § 244 Abs. 2 StPO unter Umständen verpflichtet sein kann, der Anregung Folge zu leisten. Die Ablehnung von Beweisanregungen bedarf keines Gerichtsbeschlusses; ausreichend ist die Entscheidung des Vorsitzenden. Grundsätzlich sind Beweisanregungen aber in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen.
b) Beweisanträge
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 341
Ein Beweisantrag sollte so kurz und knapp wie möglich formuliert sein. Langatmige Umschreibungen vergrößern lediglich die Möglichkeit, Fehler zu machen und dadurch dem Gericht die einfache Möglichkeit zur Ablehnung zu eröffnen. Es sollte zunächst die konkrete Beweisbehauptung aufgestellt werden, die mit der Angabe des bestimmten Beweismittels unterlegt wird. Erst dann erfolgt die nähere Begründung. Ein Beweisantrag kann bis kurz vor Ende des Verfahrens, also bis zum Beginn der Urteilsverkündung gestellt werden. Eine Präklusion von Beweisanträgen schließt das Gesetz ausdrücklich aus, § 246 Abs. 1 StPO.
Bereits vor oder außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge müssen innerhalb der Hauptverhandlung wiederholt werden. Auch wenn Beweisanträge im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich zu stellen sind, empfiehlt es sich unbedingt, diese schriftlich vorzuformulieren und dann erst zu verlesen. Der Beweisantrag ist inhaltlich dann geglückt, wenn ihn das Gericht nicht ablehnen kann, ohne dass dadurch dem Angeklagten nur Vorteile entstehen. Der Verteidiger sollte in jedem Fall seinen Antrag aus dem Blickwinkel des Gerichts kritisch überprüfen. Antragsberechtigt sind sowohl der Angeklagte als auch der Verteidiger aus eigenem Antragsrecht heraus. Jeder Beweisantrag muss als besondere Förmlichkeit im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO protokolliert werden. Sowohl der Verzicht als auch die Rücknahme eines Beweisantrages sind möglich, selbst wenn das Gericht die Beweiserhebung bereits beschlossen hat. Eine Grenze findet die Rücknahme in § 245 Abs. 1 S. 1 StPO, wonach vorgeladene und erschienene Zeugen und Sachverständige bzw....