Rz. 220
Eine zeitliche Obergrenze für die Dauer der Untersuchungshaft findet sich in der StPO mit Ausnahme des § 122a StPO nicht, so dass die Untersuchungshaft bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens aufrechterhalten werden kann. Dabei ist aber zu beachten, dass die Grenzen, die das Grundgesetz und die Menschenrechtskonvention aufzeigen, nicht überschritten werden dürfen. Mit zunehmender Dauer der Haft vergrößert sich das Gewicht des Freiheitsanspruches des als unschuldig geltenden Beschuldigten gegenüber dem staatlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung. Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes setzt somit das sog. Beschleunigungsgebot der Haftdauer Grenzen, unabhängig von der zu erwartenden Strafe und auch nach Erlass eines erstinstanzlichen Urteils.
Rz. 221
Gesetzlich geregelt ist dieses Prinzip in § 121 StPO, der eine Untersuchungshaftdauer wegen derselben Tat von über sechs Monaten nur dann zulässt, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund, der sich auf die im Haftbefehl genannten Taten oder solche bezieht, bezüglich derer ein dringender Tatverdacht besteht, das Urteil noch nicht zulassen und die Haftfortdauer rechtfertigen.
Kein wichtiger Grund für die Haftfortdauer ist die Verschleppung des Verfahrens durch Vernehmung zahlreicher Zeugen, wenn der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt hat und die Ausführungen des Opfers dieses bestätigen. Gleiches gilt für eine unzulängliche Personal- und Organisationsstruktur. Ebenso wenig stellt eine Verfahrensverzögerung aufgrund mehrmonatiger Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsanwaltschaft, Landgericht und Amtsgericht über die Frage der Zuständigkeit einen wichtigen Grund dar. Schließlich kann eine erst nach vielen Monaten beantragte Sachverständigenbegutachtung durch die Staatsanwaltschaft die Fortdauer aus wichtigem Grund nicht rechtfertigen.
Bei der Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO wird demnach die Haftdauer nicht wie bei §§ 112 Abs. 1 S. 2, 120 Abs. 1 Hs. 2 StPO in ein Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe gesetzt. Wohl aber sind die Haftgründe der §§ 112, 112a StPO, ein dringender Tatverdacht und die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 120 Abs. 1 StPO Voraussetzung für die Prüfung nach § 121 StPO. § 121 StPO lässt nur in begrenztem Umfang Ausnahmen zu und ist eng auszulegen.
Rz. 222
Mit der in § 121 StPO festgesetzten Haftbegrenzung soll erreicht werden, dass Ermittlungsbehörden und Gericht zielstrebig, konzentriert, rasch und sachgemäß ermitteln, um zu einem Urteil zu kommen. Nach Ablauf von sechs Monaten bzw. jeweils drei weiteren Monaten hat das zuständige Gericht gem. § 122 Abs. 1 StPO die Akten dem OLG zur Entscheidung vorzulegen, wenn es von der Erforderlichkeit der Haftfortdauer ausgeht. Durch eine laufende Hauptverhandlung ist die Frist gem. § 121 Abs. 3 S. 2 StPO gehemmt. Gemäß § 122 Abs. 2 S. 1 StPO haben der Beschuldigte und dessen Verteidiger ein Anhörungsrecht. In der Regel weist das OLG oder die dem OLG die Akten vorlegende Stelle auf die bevorstehende Entscheidung hin und setzt eine Frist zur Stellungnahme. Ergeben sich aus den Akten, die der Verteidiger sinnvollerweise angefordert hat, keine rechtfertigenden Gründe für die Haftfortdauer, so ist es möglich, dienstliche Äußerungen der Ermittlungsbehörden, der betroffenen Richter bzw. des Gerichtspräsidenten einzuholen. Mit der Stellungnahme kann der Verteidiger einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls verbinden.
Gegen die Entscheidung des OLG ist die Beschwerde nicht statthaft, § 304 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 StPO. Da keine weiteren Rechtsmittel mehr zur Verfügung stehen, wäre nur die Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf gegen die OLG-Entscheidung zulässig.