Rz. 261
Im Rahmen des Zwischenverfahrens hat das Gericht nach § 199 Abs. 1 StPO von Amts wegen zu prüfen, ob der Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis entgegensteht. Liegt ein endgültiges Verfahrenshindernis wie etwa der Eintritt der Verjährung vor, darf das Gericht das Hauptverfahren gar nicht erst eröffnen, § 204 StPO. Liegt dagegen nur ein vorläufiges Prozesshindernis vor, kann das Gericht das Verfahren entsprechend § 205 StPO vorläufig einstellen.
Rz. 262
Die Geltendmachung von Verfahrenshindernissen stellt ein vorrangiges Betätigungsfeld für die Strafverteidigung im Zwischenverfahren dar. Hier hat der versierte Verteidiger die Möglichkeit, das Verfahren schnell und effektiv zu beenden. Dem Mandanten bleiben dann die Unannehmlichkeiten und Kosten eines Hauptverfahrens erspart. Im Folgenden sollen nur einige wenige Verfahrenshindernisse beispielhaft aufgelistet werden:
a) Strafunmündigkeit (§ 19 StGB)
Rz. 263
Nach § 19 StGB ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Die materiell-rechtlich zur fehlenden Schuld führende Strafunmündigkeit bedeutet prozessual ein endgültiges Prozesshindernis, selbst wenn der Täter mittlerweile das 14. Lebensjahr vollendet hat. Problematische Fälle des § 19 StGB können insbesondere bei ausländischen Mandanten vorkommen, bei denen das Geburtsdatum, etwa aufgrund fehlender Ausweispapiere, nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, so dass der Zweifelsgrundsatz zur Anwendung kommt.
b) Verfolgungsverjährung (§§ 78 ff. StGB)
Rz. 264
Nach h.M. ist die Verfolgungsverjährung ein prozessuales Institut, das die Verfolgung des Täters mit den Mitteln des Strafrechts verhindert. Die Verfolgungsverjährung beginnt nach § 78a StGB mit der Beendigung der Tat und berechnet sich nach der Schwere der Tat, wobei der für die jeweilige Tat geltende Regelstrafrahmen Anknüpfungspunkt ist, § 78 Abs. 4 StGB. Für die Praxis von besonderer Bedeutung sind die Unterbrechungstatbestände des § 78c Abs. 1 StGB. So wird nach dessen Nr. 1 die Verjährung mit der Wirkung des erneuten Verjährungslaufs bereits dann unterbrochen, wenn die erstmalige Vernehmung des Beschuldigten angeordnet wird. Nach der Nr. 4 reicht zur Unterbrechung ferner auch jede richterliche Anordnung der Beschlagnahme bzw. Durchsuchung aus. § 78b StGB enthält einige Tatbestände, die ein Ruhen der Verjährung bewirken, etwa die Vollendung des 30. Lebensjahrs des Verletzten bei Vorliegen bestimmter Sexualstraftaten. Der Verteidiger hat deshalb in jedem Fall die Ruhens- und Unterbrechungstatbestände aufmerksam zu prüfen.
c) Strafantrag (§§ 77 ff. StGB)
aa) Rechtliche Grundlagen
Rz. 265
Bei einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Tatbeständen, die regelmäßig den Bereichen der kleineren und mittleren Kriminalität zuzuordnen sind, ist das Vorliegen eines wirksamen Strafantrags Prozessvoraussetzung. Fehlt er – etwa weil er nie, nicht vom Antragsberechtigten gestellt oder wieder wirksam zurückgenommen wurde –, entsteht ein Verfahrenshindernis. Sind durch eine Tat mehrere Personen verletzt worden, steht jedem ein Antragsrecht zu, § 77 Abs. 4 StGB. Damit korrespondiert § 77b Abs. 3 StGB, der bestimmt, dass die Antragsfrist für jeden Berechtigten und gegen jeden Beteiligten gesondert läuft. § 77d StGB regelt die Rücknahme des Strafantrages, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens möglich ist.
Der Verteidiger, der hier tätig werden will, hat dabei streng die Grenzen der unzulässigen Einwirkung auf Dritte zu beachten. Er darf dem Berechtigten nicht drohen, ihn nicht zwingen, nötigen oder sonst in unzulässiger Art und Weise unter Druck setzen. Auch darf er ihm den Strafantrag bzw. dessen Rücknahme nicht "abkaufen". Insbesondere bei Beziehungstaten im weiteren Sinne ist es aber möglich und sinnvoll, die Vorteile einer einvernehmlichen Lösung darzustellen und dabei auf das irreversibel gestörte Verhältnis der Beteiligten im Fall einer gerichtlichen Klärung hinzuweisen. Gespräche dieser Art sollten stets ohne den Mandanten, dafür aber in Gegenwart einer neutralen dritten Person geführt werden.
Rz. 266
Liegt beispielsweise nur eine einfache Körperverletzung vor, muss der Verteidiger überprüfen, ob die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat und wenn nicht, ob Strafantrag gestellt wurde, denn nur dann wäre die Tat verfolgbar, vgl. etwa § 230 StGB.
bb) Muster: Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens wegen Rücknahme des Strafantrages
Rz. 267
Muster 41.38: Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens wegen Rücknahme des Strafantrages
Muster 41.38: Antrag auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens wegen Rücknahme des Strafantrages
An das Amtsgericht _____
Az. _____
In der Strafsache gegen _____ wegen _____
wird beantragt, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.
Begründung:
Die Anklage wirft meinem Mandanten vor, _____ (Darstellen des Sachverhalts, Rücknahme des Strafantrags bei einem Antragsdelikt, keine Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses seitens der Staatsanwaltschaft).
Es mangelt somit an einer für die Eröffnung des Hauptverfahrens nötigen Verfahrensvoraussetzung. Das Hauptverfahren darf daher nicht eröffnet werden.
(Rechtsanwalt)