Rz. 225

§ 127b Abs. 1 Nr. 1 StPO ermöglicht die vorläufige Festnahme eines auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten, wenn eine unverzügliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist.

Der Haftbefehl darf aus diesen Gründen indes nur ergehen, wenn der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist und die Durchführung der Hauptverhandlung binnen einer Woche nach der Festnahme zu erwarten ist. Der Haftbefehl muss dabei auf höchstens eine Woche ab dem Tag der Festnahme befristet werden, § 127b Abs. 2 StPO. Auch hier soll über den Erlass des Haftbefehls der Richter entscheiden, § 127b Abs. 3 StPO.

Der dringende Tatverdacht setzt voraus, dass gerichtsverwertbare Beweise vorliegen, durch die der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit überführt werden kann.

 

Rz. 226

Der Haftgrund ergibt sich aus § 127b Abs. 1 Nr. 2 StPO, der auf den § 127b Abs. 2 StPO verweist. Demnach darf die Hauptverhandlungshaft nur angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass der Beschuldigte der Hauptverhandlung fernbleiben wird. Ähnlichkeiten zum Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sind hier offensichtlich.

Unterschiede bestehen zum einen im Grad der Wahrscheinlichkeit, der für eine Nichtteilnahme des Beschuldigten an dem Verfahren spricht, und zum anderen im zu erwartenden Verhalten des Beschuldigten, durch das er seine Anwesenheit im Strafverfahren verhindern werde.

§ 127b Abs. 2 StPO setzt lediglich die Erwartung voraus, dass der Beschuldigte der Hauptverhandlung fernbleibt. Damit sind nicht so enge Voraussetzungen an diesen Haftgrund geknüpft wie etwa an die Fluchtgefahr des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO, der nicht allein aufgrund der bloßen Erwartung ergehen darf, der Beschuldigte werde einer Ladung zur Hauptverhandlung nicht Folge leisten. Im Falle des § 112 StPO müssten dann mildere Mittel, wie etwa die Vorführung, zur Anwendung kommen.[102]

 

Rz. 227

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beansprucht aber auch im Rahmen von § 127b StPO Geltung. Als verhältnismäßig wird die Untersuchungshaft gem. § 127b StPO allerdings zum Teil auch bei Bagatelldelikten angesehen, für die lediglich mit einer Geldstrafe zu rechnen ist.

 

Rz. 228

Gegen diesen Haftbefehl sind die gleichen Rechtsbehelfe gegeben wie gegen die Anordnung der Untersuchungshaft nach den §§ 112 ff. StPO, also der Antrag auf Haftprüfung und die Haftbeschwerde. Der Beschuldigte ist entsprechend zu belehren. Der einzige Unterschied ergibt sich im Hinblick auf die Akteneinsicht. Wegen der Wochenfrist des § 127b Abs. 2 S. 2 StPO ist die Anlegung von Doppelakten unumgänglich.[103]

[102] Vgl. Löwe/Rosenberg-Lind, § 112 StPO Rn 50 ff.
[103] Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 127b StPO Rn 22; RiStBV Nr. 12 II, 54 III, 56 III.

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