Rz. 405
Gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO muss die Verfahrensrüge im Gegensatz zur Sachrüge begründet werden. Die Begründung hat innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO zu erfolgen. Dabei ist die erschöpfende Angabe aller tatsächlichen Umstände erforderlich, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergibt. Das Revisionsgericht kann nicht von sich aus die Ordnungsmäßigkeit des gesamten Verfahrens prüfen, ist aber nicht gehindert, auch nicht genannte Punkte einer Prüfung zu unterziehen.
Dazu ist zu beachten:
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Die Tatsachen, die den Verfahrensmangel enthalten, müssen vollständig und genau dargelegt werden und ihr Vorhandensein als positiv gegeben vorgebracht werden. |
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Verfahrensrügen müssen ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet werden. |
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Die Bezugnahme auf Anlagen zur Revisionsbegründungsschrift, auf die Akten oder das Sitzungsprotokoll ist unzulässig. |
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Fundstellen müssen ihrem Wortlaut oder ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben werden, so dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. |
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Schriftstücke, Aktenteile und Tonbandaufnahmen, auf die die Verfahrensrüge gestützt wird, müssen im Einzelnen bezeichnet und wörtlich oder wenigstens inhaltlich wiedergegeben werden. |
Die angeführten Tatsachen, die den Mangel begründen, müssen bestimmt sein. Es muss folglich ersichtlich sein, gegen welche Handlungen oder Unterlassungen des Gerichts der Vorwurf der fehlerhaften Verfahrensweise erhoben wird und inwiefern gegen das Gesetz verstoßen worden ist. Der Rechtsmittelführer muss also die Tatsachen bestimmt behaupten und den Verfahrensverstoß nicht nur als möglich bezeichnen.
aa) Absolute Revisionsgründe (§ 338 Nr. 1–7 StPO)
(1) Typischer Sachverhalt
Rz. 406
Dem Strafverfahren gegen Herrn A wird in der Öffentlichkeit eine hohe Beachtung geschenkt. Der Fortsetzungstermin findet an einem Freitagnachmittag statt. Dort haben sich jedoch lediglich noch zwei Zuhörer im Gerichtssaal eingefunden. Nach Sitzungsende und Urteilsverkündung stellt der Verteidiger des Herrn A fest, dass am Haupteingang des Landgerichtes ein Schild mit dem Hinweis angebracht ist, dass das Landgericht Freitagnachmittag geschlossen sei. Hierin sieht er einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Er trägt dies sogleich dem Vorsitzenden Richter vor. Dieser fertigt über diese Tatsache einen Aktenvermerk an und nimmt ihn zur Anlage des Protokolls der Sitzung.
(2) Rechtliche Grundlagen
Rz. 407
Eine Revision ist nur dann begründet, wenn das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, d.h. wenn das Urteil bei richtiger Anwendung des Gesetzes anders ausgefallen wäre. Bei sachlich-rechtlichen Mängeln ist das grundsätzlich der Fall. Dieser ursächliche Zusammenhang zwischen Gesetzesverstoß und Urteil braucht nicht erwiesen zu sein. Die bloße Möglichkeit reicht i.d.R. aus, es sei denn, sie ist rein theoretischer Natur. In § 338 Nr. 1–7 StPO sind solche Verfahrensmängel abschließend aufgezählt, bei denen das Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung unwiderleglich vermutet wird. Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein Einfluss des Verfahrensfehlers auf das Urteil denkgesetzlich ausgeschlossen ist. Der Verfahrensmangel muss allerdings bis zum Urteil bestanden oder bis zur Entscheidung fortgewirkt haben. In diesen Fällen ist die Revision ohne Rücksicht auf eine konkrete Urteilsbeeinflussung begründet, weil die rechtsstaatliche Grundlage des Verfahrens insgesamt nicht mehr gewahrt erscheint.
(3) Muster: Revisionsbegründung
Rz. 408
Muster 41.62: Revisionsbegründung (Absolute Revisionsgründe)
Muster 41.62: Revisionsbegründung (Absolute Revisionsgründe)
An das Landgericht _____
Az. _____
In der Strafsache gegen _____ wegen _____
gebe ich zu der mit Schriftsatz vom _____ gegen das Urteil des Landgerichtes vom _____, zugestellt am _____, eingelegten Revision die nachfolgende
Revisionsbegründung
ab und
stelle den Antrag,
das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
Begründung:
Gerügt wird die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung, § 338 Nr. 6 StPO und § 169 GVG.
Die Hauptverhandlung wurde am Freitag, dem _____, um 13.30 Uhr eröffnet und dauerte bis 16.30 Uhr an. _____ (Ausführliche Darstellung des Sachverhalts.)
Damit hat das LG die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz soll gewährleisten, dass jedem der Zutritt zur Hauptverhandlung offensteht; dazu gehört auch die Möglichkeit, sich ohne besondere Schwierigkeiten Kenntnis darüber zu verschaffen, wann und wo eine Hauptverhandlung stattfindet. Diesen Erfordernissen hat die Sitzung am _____ nicht entsprochen.
Zwar war die Tür des Gerichts nicht verschlossen, aber das dort angebrachte Schild war in gleicher Weise geeignet, mögliche Prozessbesucher davon abzuhalten, an der Verhandlung teilzuneh...