Rz. 91

Grundsätzlich ist die Staatsanwaltschaft dem Legalitätsprinzip unterworfen. Das Legalitätsprinzip wird jedoch durch zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren durchbrochen. Faktisch tritt also in diesen Fällen das Opportunitätsprinzip in den Vordergrund. Zu unterscheiden ist zwischen den Einstellungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft ohne Zustimmungsbedürfnis des Gerichts (z.B. §§ 153 Abs. 1 S. 2, 153a Abs. 1 S. 7, 153c Abs. 1 und 2, 153d Abs. 1, 154 Abs. 1, 154a Abs. 1, 154b Abs. 1, 2 und 3, 154c, 154d, 154e StPO) und den Einstellungen, die nur mit Zustimmung des Gerichts gestattet sind (z.B. §§ 153 Abs. 1 S. 1, 153a Abs. 1 S. 1, 153b Abs. 1, 153e Abs. 1 StPO). Dabei ist weiterhin zu beachten, dass zum Teil auch die Zustimmung des Beschuldigten notwendig ist.

 

Rz. 92

Die zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten im Vorverfahren dienen u.a. der Prozessbeschleunigung und -erledigung. Bagatellverfahren müssen nicht mehr zwangsläufig in eine aufwendige Hauptverhandlung münden. Auch für den Beschuldigten bieten sich dadurch große Vorteile: Er entgeht den Strapazen einer öffentlichen Hauptverhandlung und einer Verurteilung, obwohl ein hinreichender Tatverdacht als solches gegeben ist. Darüber hinaus werden entsprechende Einstellungen bei Erwachsenen nicht in das Bundeszentralregister oder das Fahreignungsregister eingetragen. Die Einstellungsalternativen nach §§ 153 ff. StPO sind also ein wichtiges Instrument aktiver Strafverteidigung im Vorverfahren. Auf die Kostenfolgen aus § 467 Abs. 4 und 5 StPO ist hinzuweisen.

 

Rz. 93

Dennoch findet die Ausweitung des Opportunitätsprinzips auch viele Kritiker: Der Staatsanwaltschaft werde mit den §§ 153 ff. StPO nämlich eine immer mächtigere Ermessenskompetenz über die Beendigung des Strafverfahrens eingeräumt. Daher erreiche sie mitunter schon die Position eines "Richters vor dem Richter".[40]

[40] Instruktiv hierzu Kausch, Der Staatsanwalt – ein Richter vor dem Richter?, 1980; Nelles, 16. Strafverteidigertag in Hamburg, S. 156 f.; Weihrauch, Verteidigung im Ermittlungsverfahren, S. 80, gibt zu bedenken, dass sich – angesichts des nicht unerheblichen Beurteilungsspielraums der Staatsanwaltschaft – so manches Einfallstor für sachfremde Überlegungen des Staatsanwalts bietet.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge