aa) Typischer Sachverhalt
Rz. 414
Im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle machte Herr A einen leicht alkoholisierten Eindruck auf die Polizisten. Eine um 4.49 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 0,89 Promille im Mittelwert und 0,51 mg/L Benzoylecgonin.
Das Amtsgericht verurteilte daraufhin Herrn A wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe, es ordnete den Führerscheinentzug mit einer Sperrfrist von drei Monaten an.
bb) Rechtliche Grundlagen
Rz. 415
Die ausgeführte Sachrüge ist der Teil der Revisionsbegründung, der das tatrichterliche Urteil in materiell-rechtlicher Hinsicht angreift. Zwar ist die Begründung der Sachrüge nicht unbedingt erforderlich, denn auch eine unausgeführte allgemeine Sachrüge löst die uneingeschränkte Pflicht des Revisionsgerichts aus, von Amts wegen die vorinstanzliche Entscheidung vollständig auf sachlich-rechtliche Fehler zu untersuchen. Erhebt der Verteidiger jedoch nur die Sachrüge, sollte er Nr. 156 Abs. 2 RiStBV beachten, wonach der Staatsanwalt die Sachrüge stets so zu formulieren hat, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils er eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe er seine Rechtsauffassung stützt. Der gleiche Anspruch sollte an die eigene Revisionsbegründung gestellt werden.
Obwohl das Revisionsgericht zur vollständigen Überprüfung des materiellen Rechts verpflichtet ist, besteht die Gefahr, dass bei Einzelausführungen dies als Beschränkung der Revision auf die angesprochenen Beschwerdepunkte ausgelegt werden könnte. Um dieser Auslegung vorzubeugen, sollte darauf hingewiesen werden, dass sich die Sachrüge nicht in den angegebenen Punkten erschöpft.
Rz. 416
Revisibel sind u.a.:
▪ |
die rechtliche Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter die Vorschriften des StGB und Nebenstrafrechts sowie die Auslegung der Rechtsnorm; |
▪ |
die Anwendung einer nicht anwendbaren Rechtsnorm oder einer Norm, die keine Rechtsnorm ist; |
▪ |
Mehrdeutigkeit der getroffenen Feststellungen, wenn eine der Deutungsmöglichkeiten die rechtlichen Folgen nicht zu tragen vermag; |
▪ |
die erkennbare Lückenhaftigkeit des festgestellten Sachverhaltes (auch Widersprüchlichkeit); |
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Verstöße gegen Denk- und Erfahrungssätze; |
▪ |
das Fehlen einer Beweiswürdigung zu wesentlichen Feststellungen; |
▪ |
die Nichterörterung naheliegender Sachverhaltsvarianten; |
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die Begründung der Strafzumessung. |
Dagegen sind die tatrichterlichen Feststellungen als solche und die Wertung der einzelnen Beweismittel nicht revisibel.
cc) Muster: Sachrüge
Rz. 417
Muster 41.64: Sachrüge
Muster 41.64: Sachrüge
An das Amtsgericht _____
Az. _____
In der Strafsache gegen _____ wegen _____
führe ich die bereits mit Schriftsatz vom _____ allgemein erhobene Sachrüge weiter aus:
Das Amtsgericht hätte meinen Mandanten nicht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilen, den Führerschein einziehen und die Fahrerlaubnis mit der ausgesprochenen Sperrfrist entziehen dürfen. Das Amtsgericht ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
_____
Der bloße Nachweis von 0,51 mg/L-Benzoylecgonin in der Blutprobe vermag die absolute Fahruntüchtigkeit nicht zu belegen. _____ (Weitere Ausführungen, etwa zum Grenzwert bei Alkohol, Fehlen bei anderen Rauschmitteln, Kombination mit Alkohol etc.)
Das angegriffene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Da nicht zu erwarten steht, dass weitere Feststellungen zur Fahruntüchtigkeit getroffen werden können, ist der Angeklagte freizusprechen.
Fürsorglich wird beantragt, die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, damit etwaige zu treffende Feststellungen nachgeholt werden können.
(Rechtsanwalt)