Rz. 357
Die Strafprozessordnung kennt die Rechtsmittel der einfachen, sofortigen und weiteren Beschwerde (§§ 304 ff. StPO), der Berufung (§§ 312 ff. StPO) sowie der Revision (§§ 333 ff. StPO). Das Ordnungswidrigkeitengesetz sieht die der Revision entsprechende Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG vor.
Wesentliches Merkmal aller Rechtsmittel ist der sog. Devolutiveffekt, dh eine noch nicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidung wird zur Nachprüfung vor ein Gericht höherer Ordnung gestellt. Berufung und Revision hindern zudem den Eintritt der Rechtskraft des Urteils und damit seine Vollstreckbarkeit, §§ 316 Abs. 1, 343 Abs. 1 StPO. Diesen sog. Suspensiveffekt kennt die Beschwerde hingegen nicht, § 307 Abs. 1 StPO.
I. Beschwerde
1. Einfache Beschwerde gegen Durchsuchung und Beschlagnahme gem. § 304 StPO
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 358
Anlässlich einer Hausdurchsuchung werden bei Herrn A u.a. zwölf Aktenordner von der Polizei mitgenommen. Diese will der Mandant zurückhaben, weil es sich dabei ausschließlich um private Dinge handelt.
b) Rechtliche Grundlagen
Rz. 359
Die Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO ist eine Tatsachen- und Rechtsbeschwerde. Das Gericht hat die Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung sowie die richtige Rechtsanwendung nachzuprüfen. Zwar hat das mit der Beschwerde angerufene Gericht von Amts wegen alle ihm zugänglichen Tatsachen zu bewerten. Eine Begründung der Beschwerde wäre deshalb an sich entbehrlich. Trotzdem ist eine ausführliche Begründung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sinnvoll und nötig, um die Fehler der angegriffenen Entscheidung aufzuzeigen.
Rz. 360
Bei den Zwangsmaßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Verteidigers in der Regel ziemlich gering. Da die Durchsuchung schon ihrer Natur nach regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen darstellt, unterliegt sie – ebenso wie ihre Anordnung – dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen worden ist, für die zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen müssen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der anordnende Richter als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, durch eine möglichst genaue und konkrete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt, also die Ermächtigung den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügt. Die Anordnung der Durchsuchung muss in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Straftat und zur Schwere des Tatverdachts stehen.
c) Muster: Beschwerde gegen Durchsuchung und Beschlagnahme
Rz. 361
Muster 41.53: Beschwerde gegen Durchsuchung und Beschlagnahme
Muster 41.53: Beschwerde gegen Durchsuchung und Beschlagnahme
An das Amtsgericht _____
Az. _____
In dem Ermittlungsverfahren gegen _____ wegen _____
lege ich gegen den Durchsuchungsbeschluss des AG vom _____ sowie gegen die erfolgte Beschlagnahme von Geschäftspapieren vom _____ Beschwerde ein
und stelle den Antrag,
den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des AG vom _____ aufzuheben und die sichergestellten Gegenstände herauszugeben.
Begründung:
In dem angefochtenen Beschl. v. _____ (Darstellen des Beschlusses und seines Inhalts.)
Die Durchsuchung und Beschlagnahme von _____ (Darstellen der Durchsuchung und Beschlagnahme.)
Die richterliche Anordnung wird den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht gerecht. Sie enthält keine tatsächlichen Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs. Die schlichte Angabe des gesetzlichen Tatbestandes macht nicht deutlich, durch welche konkreten Handlungen der Beschuldigte in den Verdacht des _____ geraten ist. Eine solche Kennzeichnung wäre aber nach dem Ermittlungsstand möglich gewesen, ohne dass dadurch der Strafverfolgungszweck beeinträchtigt worden wäre. Diese Konkretisierung war demnach erforderlich.
Auch die Beschlagnahmeanordnung genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht, denn sie ordnet die Beschlagnahme aller aufgefundenen Beweismittel an und stellt somit unzulässigerweise die Auswahl der Beweismittel in das Ermessen der Ermittlungsbehörden. Weiter wurde gegen die Vorschrift des § 110 Abs. 2 StPO verstoßen, denn nur die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen haben das Recht auf Durchsicht der Unterlagen. Vorliegend wurde die erste Durchsicht der Unterlagen jedoch normalen Polizeibeamten überlassen, die dazu ohne Genehmigung des Inhabers nicht befugt sind, weil diese nicht zu dem in § 110 Abs. 1 StPO genannten Kreis der Berechtigten zählen. Eine solche Genehmigung war jedoch durch _____ nicht erteilt worden.
Die Anordnung ist demnach rechtswidrig und aufzuheben, die Aktenordner sind umgehend zurückzugeben.
(Rechtsanwalt)
d) Anmerkungen zum Muster
Rz. 362
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Die Zuständigkeit ist in § 306 StPO geregelt. |
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In dem hier vorliegenden Beispiel ist die Besch... |