1. Beiordnung durch das Gericht/Ablehnung durch bestellten Rechtsanwalt
a) Typischer Sachverhalt und rechtliche Grundlagen
Rz. 45
Nach Abschluss der Ermittlungen gegen Herrn A wegen schwerer Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft Anklage beim Amtsgericht erhoben. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens und Zustellung der Anklageschrift schreibt Herr A dem Amtsgericht, dass er sich selbst nicht verteidigen, sich aber auch keinen Rechtsanwalt leisten kann, da er nur über geringe finanzielle Mittel verfügt. Daraufhin prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung gem. §§ 140 ff. StPO gegeben sind. Bejaht das Gericht dies, wird Herrn A ein Verteidiger beigeordnet, der vom Vorsitzenden des Gerichts aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer ausgewählt wird und entweder Fachanwalt für Strafrecht ist oder der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist. Dem Beschuldigten ist jedoch zuvor die Gelegenheit zu geben, selbst einen solchen zu benennen, § 142 Abs. 5 StPO. Dann reduziert sich das Ermessen bei der vom Vorsitzenden zu treffenden Wahl auf den vom Beschuldigten benannten (bisherigen) Wahlverteidiger. Begründet wird dies mit dem notwendigen besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidiger. Der praktisch wohl wichtigste Fall der notwendigen Verteidigung ist in § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO geregelt, wonach dem Beschuldigten im Falle seiner Vorführung zur Entscheidung über die Anordnung von Untersuchungshaft ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist.
Der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, die Verteidigung zu übernehmen, § 49 BRAO. Ausnahmsweise kann er jedoch nach § 49 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 BRAO beantragen, dass die Beiordnung aufgehoben werden möge. Dafür müssen allerdings wichtige Gründe vorliegen, wozu etwa mögliche Interessenskollisionen, Terminskollisionen, Krankheit, nachweisbare Überlastung oder etwa die Unerfahrenheit in einem Spezialgebiet gehört. Auch eine unbehebbare Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant stellt einen wichtigen Grund dar, nicht hingegen bloße massive Spannungen. Zur Ablehnung des Pflichtmandats ist er sogar verpflichtet, wenn dem Angeschuldigten keine Gelegenheit gem. § 142 Abs. 5 StPO gegeben wurde, selbst einen Rechtsanwalt zu bezeichnen, oder seinem Wunsch keine Rechnung getragen wurde.
Wurde der vom Beschuldigten gewünschte Verteidiger nicht bestellt, etwa weil wichtige Gründe gem. § 142 Abs. 5 S. 3 StPO (die denen des § 48 Abs. 2 BRAO entsprechen) vorliegen, kann dies nunmehr gem. § 142 Abs. 7 S. 1 StPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Durch die Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung ergibt sich nunmehr aus § 143a StPO in bestimmten Fällen auch die Möglichkeit eines Pflichtverteidigerwechsels. Aus Platzgründen muss an dieser Stelle aber der Hinweis auf die aktuellen Kommentierungen und Fundstellen aus der Literatur genügen.
b) Muster: Ablehnung der Beiordnung
Rz. 46
Muster 41.8: Ablehnung der Beiordnung
Muster 41.8: Ablehnung der Beiordnung
An das Amtsgericht _____
Az. _____
In der Strafsache gegen _____ wegen _____
beantrage ich, die Bestellung zum Pflichtverteidiger zurückzunehmen.
Begründung:
_____ (Darlegen des wichtigen Grundes i.S.d. §§ 49 Abs. 2, 48 Abs. 2 BRAO)
(Rechtsanwalt)
2. Antrag des Rechtsanwalts auf Beiordnung
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 47
Nach Zustellung der Anklageschrift hat der Angeschuldigte im Zwischenverfahren gem. § 141 Abs. 2 Nr. 4 StPO einen Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO vorliegt und er noch keinen Verteidiger beauftragt hat. Über das Antragsrecht ist der Angeschuldigte zu belehren.
Allerdings kann sich die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch bereits während des Vorverfahrens nach Eröffnung des Tatvorwurfs und vor der ersten Vernehmung zur Sache gem. § 141 Abs. 1 StPO auf ausdrücklichen Antrag des Beschuldigten hin ergeben.
Die Staatsanwaltschaft hat ihrerseits die Beiordnung eines Pflichtverteidigers unabhängig vom Antrag des Beschuldigten zu beantragen, wenn im Fall der notwendigen Verteidigung die Voraussetzungen des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 StPO gegeben sind, vgl. § 142 Abs. 2 StPO.
Rz. 48
Der Rechtsanwalt selbst hat keinen Anspruch auf Bestellung zum Pflichtverteidiger. Ein Beiordnungsantrag ist daher im Namen des Mandanten zu stellen, dessen Wünschen vom Gericht "möglichst" Rechnung zu tragen ist. Im Rahmen des Antrags auf Beiordnung als Pflichtverteidiger ist die bedingte Niederlegung eines etwaig erteilten W...