1. Typischer Sachverhalt
Rz. 189
Gegen Herrn A wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft angeordnet. Von der JVA aus nimmt er mit Rechtsanwalt R Kontakt auf. Dieser will Herrn A alsbald in der JVA aufsuchen und wird dazu vorher mit der JVA einen Besuchstermin vereinbaren.
2. Einzelsprechschein
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 190
Bei einem schon bestehenden Mandatsverhältnis gilt der Grundsatz des ungehinderten Verkehrs zwischen Verteidiger und Mandanten. Gespräche zwischen diesen beiden und deren Korrespondenz untereinander dürfen nicht überwacht und kontrolliert werden. Der Nachweis der Verteidigerbestellung in Form einer Vollmacht oder Pflichtverteidigerbestellung ist dafür i.d.R. Voraussetzung. Es empfiehlt sich daher, diese unverzüglich bei der JVA vorzulegen. Je nach Bundesland ist darüber hinaus auch die Mitteilung der Staatsanwaltschaft gegenüber der JVA, dass ein Verteidigerverhältnis mit dem Inhaftierten tatsächlich besteht, erforderlich.
Rz. 191
Ist das Mandat noch nicht erteilt, sind die Voraussetzungen für ein unüberwachtes Gespräch mangels eines schon begründeten Verteidigungsverhältnisses noch nicht ohne Weiteres gegeben. Die Handhabung in den einzelnen Justizvollzugsanstalten ist sehr unterschiedlich: In manchen Anstalten wird ein sog. "Anbahnungssprechschein" nicht verlangt, es reicht eine zu Beginn des Gesprächs im Beisein eines Justizvollzugsbeamten erteilte schriftliche Vollmacht, in anderen muss eine schriftliche oder mündliche Genehmigung des Staatsanwalts oder Richters vorliegen, um überhaupt dieses erste Anbahnungsgespräch zur Erteilung einer Vollmacht führen zu können. In diesem Fall muss von dem zuständigen Haftrichter oder Staatsanwalt ein Einzelsprechschein erteilt werden. Das ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Beschuldigten auf Beistand eines Rechtsanwalts seines Vertrauens, der unvollständig wäre, wenn ein unüberwachtes Gespräch erst nach Mandatserteilung möglich ist. Das erforderliche Vertrauen für eine Mandatserteilung bildet sich in aller Regel nur bei einem Gespräch unter vier Augen.
b) Muster: Antrag auf Erteilung eines Einzelsprechscheins
Rz. 192
Muster 41.23: Antrag auf Erteilung eines Einzelsprechscheins
Muster 41.23: Antrag auf Erteilung eines Einzelsprechscheins
An die Staatsanwaltschaft/Amtsgericht _____
Az. _____
In der Strafsache gegen _____ wegen _____
stelle ich den Antrag, mir einen auf mich lautenden Einzelsprechschein zu erteilen, damit ich prüfen und entscheiden kann, ob ich das mir angetragene Mandat annehme.
(Rechtsanwalt)
3. Mitteilung der Mandatsübernahme
a) Rechtliche Grundlagen
Rz. 193
Nach Annahme des Mandats lässt sich der Rechtsanwalt eine schriftliche Vollmacht erteilen. In seltenen Fällen kann es ratsam sein, die Mitteilung der Mandatsübernahme dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft gegenüber zu unterlassen und die Verteidigung zunächst auf das Innenverhältnis zu beschränken. In der Regel wird die Mandatsübernahme aber sofort gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt und gleichzeitig Akteneinsicht beantragt. Der in Untersuchungshaft genommene Beschuldigte hat nach § 147 Abs. 2 S. 2 StPO einen Anspruch auf Mitteilung des gesamten gegen ihn zusammengetragenen Belastungsmaterials, das den Gegenstand des Verfahrens bildet und für die Haftfrage bedeutsam ist, auch wenn umfassende Akteneinsicht aus vor dem Gesetz standhaltenden Gründen noch nicht erteilt werden kann.
b) Muster: Verteidigungsanzeige
Rz. 194
Muster 41.24: Verteidigungsanzeige
Muster 41.24: Verteidigungsanzeige
An die Staatsanwaltschaft/das Amtsgericht/Landgericht
Az. _____
In dem Ermittlungsverfahren/Strafverfahren gegen _____ wegen _____
zeige ich unter Vorlage einer auf mich lautenden Vollmacht an, dass mich der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte mit seiner Verteidigung beauftragt hat.
Ich beantrage uneingeschränkte, hilfsweise gem. § 147 Abs. 3 StPO zu gewährende Akteneinsicht. Da es sich um eine Haftsache handelt, bitte ich unverzüglich ein Aktendoppel anzulegen, damit dem Beschleunigungsgebot in jeder Hinsicht Rechnung getragen werden kann.
(Rechtsanwalt)
c) Anmerkungen zum Muster
Rz. 195
Gemäß § 147 Abs. 5 StPO entscheidet über die Gewähr von Akteneinsicht die Staatsanwaltschaft während des vorbereitenden Verfahrens, also bis zur Anklageerhebung. Nach Anklageerhebung entscheidet darüber das mit der Sache befasste Gericht. Hier ist auf die Terminologie zu achten: Aus dem Beschuldigten wird mit Anklageerhebung der Angeschuldigte, mit Eröffnung des Hauptverfahrens der Angeklagte.
4. Mandatsannahme/Verteidigerpost
a) Typischer Sachverhalt
Rz. 196
Rechtsanwalt R hat bei dem Anbahnungsgespräch in der JVA mit Herrn A noch kein Mandatsverhältnis begründet, weil er prüfen will, ob er an der Übernahme des Mandats durch eine Kollision gehindert ist. Nach negativer Überprüfung entschließt er sich, das Mandat zu übernehmen und teilt dies Herrn A schriftlich mit.
b) Rechtliche Grundlagen
Rz. 197
Mit der Annahme des Mandats durch den Verteidiger entsteht der besondere Schutz des Mandatsverhältnisses, so dass das Annahmeschreiben schon mit dem Vermerk "Verteidigerpost" bezeichnet werden kann, obwohl die Annahme als solche noch nicht zugegangen und damit das Mandatsverhältnis noch nicht begründet ist.
Rz. 198
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