Rz. 111

Die StPO enthält keine Vorschrift, die die Befragung von Zeugen durch Rechtsanwälte im Ermittlungsverfahren regeln würde.[50] Dennoch ist es unstreitig, dass dem Strafverteidiger das Recht zusteht, Zeugen bereits im Ermittlungsverfahren selbstständig, allein oder ergänzend zu einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmung zu befragen. Ein solches Vorgehen sollte aber gut überlegt sein.

 

Rz. 112

Während die Vorteile einer solchen Zeugenbefragung in einer – allerdings streng das rechtlich zulässige Maß berücksichtigenden – Einflussnahme auf den Zeugen liegen können, sind die Gefahren einer solchen Befragung offensichtlich: Staatsanwaltschaft oder Gericht könnten bei einer vorher erfolgten Befragung – ausgesprochen oder unausgesprochen – die Gefahr der Verfälschung einer Zeugenaussage sehen.

 

Rz. 113

Dem kann allerdings dadurch begegnet werden, dass der Strafverteidiger jedem Anschein eines unzulässigen Einflusses vorbeugt und die diesbezüglich zu treffenden Maßnahmen sorgfältig dokumentiert. Die Dokumentation sollte bereits die Kontaktaufnahme mit dem Zeugen umfassen. So empfiehlt es sich, das Gespräch in der Anwaltskanzlei zu führen. Dazu sollte der Zeuge schriftlich eingeladen werden. Bei dieser Einladung sollte ihm kurz der Gegenstand des beabsichtigten Gesprächs mitgeteilt werden. Ergänzend ist ein Hinweis sinnvoll, dass man als Rechtsanwalt das Recht hat, auch außergerichtlich Zeugen zu befragen. Um bei ängstlichen Zeugen der Befürchtung unzulässigen Handelns zu begegnen, kann außerdem eine Formulierung dergestalt angebracht sein, dass es dem Zeugen natürlich freistehe, über die Unterredung auch andere Verfahrensbeteiligte in Kenntnis zu setzen. Es kann sich ferner anbieten, den Zeugen für seine im Zusammenhang mit der Terminswahrnehmung entstehenden Unkosten zu entschädigen.

 

Rz. 114

Mit derselben Vorsicht, mit der bereits die Unterredung anzubahnen ist, muss das eigentliche Gespräch mit dem Zeugen dokumentiert werden. Dazu gehört es, den Zeugen eine vorgefertigte Erklärung unterzeichnen zu lassen. Neben den selbstverständlichen Formalien (Kennzeichnung des Ermittlungsverfahrens, Art des Vorwurfs, beschuldigte Person) ist es unabdinglich zu fixieren, dass der Zeuge ausdrücklich über seine Wahrheitspflicht aufgeklärt wurde.

 

Rz. 115

Sinnvoll ist es insoweit auch, den Zeugen schriftlich darauf aufmerksam zu machen, dass er das Gespräch freiwillig führt. Wenn ein Protokoll angefertigt oder ein Gesprächszeuge zugezogen wird, sollte auch dies in der vom Zeugen zu unterzeichnenden Erklärung vermerkt werden. Ein angefertigtes Gesprächsprotokoll sollte ebenso vom Zeugen signiert werden. Dabei kann es durchaus angebracht sein, dem Zeugen eine Kopie des Gesprächsprotokolls mitzugeben. Der Zeuge sollte auch in diesem Fall noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass er selbstverständlich anderen Personen mitteilen kann, dass ein solches Gespräch geführt wurde.

 

Rz. 116

Abschließend ist noch einmal ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass bei der außergerichtlichen Vernehmung eines Zeugen nicht penibel genug vorgegangen werden kann. Fehler hierbei können eine Zeugenaussage in den Augen des Gerichts völlig wertlos machen und zudem noch einen verhängnisvollen Schatten auf die Lauterkeit des Verteidigers werfen.

[50] Ausführlich Breyer/Endler-Klein, AnwaltFormulare Strafrecht, Kap. 2 Rn 425 ff.; Peter, 1x1 der Hauptverhandlung, S. 181 ff.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?