A. Das strafrechtliche Mandat
I. Wahlverteidigung (§§ 137, 138 StPO)
1. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
Herr A hatte eine Auseinandersetzung mit Herrn B, infolge derer Herr B leicht verletzt wurde. Wenige Tage später erfährt Herr A von der Staatsanwaltschaft, dass Herr B gegen ihn eine Strafanzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet hat. Kurze Zeit später wird er von der Polizei zu einer Beschuldigtenvernehmung geladen. Herr A bittet nunmehr Rechtsanwalt R, der ihm als Strafverteidiger empfohlen wurde, seine Interessen zu vertreten.
2. Aufsuchen eines Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren
Rz. 2
Gegen Herrn A wird – wie die Strafanzeige des Geschädigten und die Ladung zur Vernehmung deutlich machen – als Beschuldigten ermittelt. Er befindet sich mithin im 1. Verfahrensabschnitt eines Strafverfahrens, dem Ermittlungsverfahren. Bereits im Ermittlungsverfahren wird der Boden für das ggf. später stattfindende Hauptverfahren bereitet. Fehler, die hier passieren, sind im Hauptverfahren in der Regel nicht mehr zu beheben. Daher sollte ein Beschuldigter für eine optimale Wahrung seiner Rechte zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Verteidiger mit der Wahrung seiner Interessen beauftragen. Auch der Gesetzgeber weiß um die Bedeutung rechtzeitiger Strafverteidigung und hat jedem Beschuldigten ausdrücklich das Recht zuerkannt, sich in allen Verfahrensstadien eines Verteidigers zu bedienen, § 137 Abs. 1 S. 1 StPO. Zudem ist dem bislang unverteidigten Beschuldigten unverzüglich ein Pflichtverteidiger beizuordnen, falls gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet werden soll, §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 StPO. Herr A handelt also umsichtig, wenn er bereits im Vorverfahren einen Rechtsanwalt einschaltet. Herr A könnte sich sogar noch zwei weiterer Verteidiger bedienen, § 137 Abs. 1 S. 2 StPO.
3. Strafrechtliches Mandat
a) Dritte als Mandatsvermittler
Rz. 3
Typischer Sachverhalt: Herr A erscheint bei Rechtsanwalt R mit seinem Bekannten Herrn X, der Rechtsanwalt R empfohlen hat und auch an dem Gespräch mit dem Rechtsanwalt teilzunehmen wünscht.
Rz. 4
Häufig werden Rechtsanwälte von Dritten empfohlen. Nicht selten werden die (zukünftigen) Mandanten sogar von den Mandatsvermittlern zum Besprechungstermin mit dem Rechtsanwalt begleitet. Dies kann Probleme aufwerfen, falls aus dieser Vermittlerrolle ein Anspruch auf Anwesenheit während der Gespräche mit dem Mandanten abgeleitet werden soll. Dem steht nämlich zunächst einmal die Schweigepflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem potentiellen Mandanten strikt entgegen: Der Mandant ist deshalb stets ausdrücklich zu befragen, ob er bei dem Gespräch die Anwesenheit des Dritten tatsächlich wünscht und insofern den Rechtsanwalt von seiner Schweigepflicht entbindet, § 53 Abs. 2 StPO. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass dem Mandanten die Anwesenheit von Freunden oder Verwandten die notwendige Unbefangenheit nehmen kann, so dass dieser dem Verteidiger – etwa aus Furcht vor dem Eindruck, den er bei dem Dritten hinterlassen könnte – wesentliche Informationen vorenthält. Dies gilt nicht zuletzt auch für Jugendliche und Heranwachsende, die oftmals von einem oder beiden Elternteilen begleitet werden.
Das gleiche Problem kann sich ergeben, wenn die Rechtsanwaltsgebühren von einem Dritten für den Mandanten übernommen werden und dieser damit einen Anspruch auf Information über den Verfahrensstand und -inhalt verknüpft. Allerdings ist auch hier allein der Wille des Mandanten, nicht derjenige des Geldgebers, entscheidend. Dies ist neben dem Mandanten auch dem Mandatsvermittler ebenso eingehend wie eindringlich zu verdeutlichen.
Rz. 5
Aber noch ein anderer, ungleich wichtigerer Aspekt bedarf der Beachtung: Möglicherweise wird der Dritte später als Zeuge im Strafverfahren benannt und ist damit gezwungen, über Dinge zu berichten, die er im Rahmen von Mandantengesprächen erfahren hat. Außer bei nahen Angehörigen kommt dem Dritten nämlich kein Schweigerecht zustatten. Dieser wäre zwar kein unmittelbarer Zeuge, aber doch ein solcher vom Hörensagen, dessen Aussage bei ansonsten dürftiger Beweislage durchaus Gewicht zukommen kann. Aus diesem Grund sollte der Verteidiger seinen Mandanten eindringlich auf das geschilderte Risiko hinweisen und zumindest bei solchen Personen, die nicht zum Kreis der nahen Angehörigen zählen, dringend von einer Anwesenheit bei den Besprechungen abraten. Aber selbst bei nahen Angehörigen ist Vorsicht geboten, da nicht sicher feststeht, ob diese später tatsächlich auch von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen werden. Eine eingehende Belehrung der Angehörigen ist insoweit ebenso erforderlich wie selbstverständlich.
b) Anbahnungsgespräch und Bestätigung der Mandatsannahme
Rz. 6
Typischer Sachverhalt: Herr A trägt bei dem Anbahnungsgespräch mit Rechtsanwalt R vor, dass er mit Herrn B tatsächlich eine körperliche Auseinandersetzung gehabt habe. Zu den Schlägen sei es aber nur gekommen, weil Herr A Frau C, der Freundin von Herrn B, zu Hilfe habe kommen wollen, nachdem diese von ihrem Freund bedrängt und lautstark beleidigt worden war. Daraufhin habe er Herrn B aufgefordert, Frau C in Ruhe zu lassen. Dieser Aufforderung sei Herr B aber nicht nachgekommen. Stattdessen habe dieser Frau C mehrere Faustschläge an den Kopf verpasst. Herr A sei nun eingeschrit...