Rz. 31

Gem. § 324 UmwG gilt das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB für Kündigungen aus Anlass von Verschmelzungen von Unternehmen entsprechend, zumal die Interessenlage hinsichtlich des Bestandsschutzes auch hier nicht anders ist als bei einem rechtsgeschäftlichem Betriebsübergang (ErfK/Oetker, § 324 UmwG Rn 6; Hanau, ZGR 1990, 548, 556; Willemsen, RdA 1993, 133, 138; zust. Berscheid, in: FS Stahlhacke, S. 15, 30; ders., HwB AR, 600 "Betriebsinhaberwechsel" Rn 170; Wlotzke, DB 1995, 40, 43; a.A. Bauer/Lingemann, NZA 1994, 1057, 1062). § 323 Abs. 1 UmwG beinhaltet eine besondere kündigungsrechtliche Regelung, aufgrund derer sich die kündigungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers aufgrund von Spaltung oder Teilübertragung für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtern darf. Der Regelungsgehalt des Begriffes der "kündigungsrechtlichen Stellung" ist strittig. Nach einer Ansicht wird die "kündigungsrechtliche Stellung" der "kündigungsschutzrechtlichen Stellung" gleichgestellt (Bauer/Lingemann, NZA 1994, 1057, 1060 f.). Danach gilt das KSchG auch dann, wenn durch die Umwandlungsmaßnahme die Beschäftigtenzahl des § 23 Abs. 1 KSchG nicht mehr erreicht wird (Kreßel, BB 1995, 925, 928). Dem Arbeitnehmer sollen daneben vertragliche oder tarifliche Kündigungsfristen, die eine Kündigung ausschließen, erhalten bleiben (Wlotzke, DB 1995, 40, 44; Lutter/Joost, § 323 UmwG Rn 10; Henssler/Strohn/Moll, UmwG, § 323 Rn 5). Nach a.A. wird der Begriff weiter verstanden, es soll die gesamte kündigungsrechtliche Stellung gemeint sein (Semler/Stengel/Leonard,Simon, UmwG, § 323 Rn 5 ff.). Neben den vorgenannten Vorteilen sollen dem Arbeitnehmer die Vorteile einer umfassenden Sozialauswahl zukommen. Diesbezüglich sei nicht allein auf die jetzt im abgetrennten Betrieb vorhandenen Arbeitnehmer abzustellen, sondern vielmehr auf die hypothetische Lage ohne Umwandlung und es seien dabei alle vorherigen Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen (Bachner, NJW 1995, 2881, 2884).

 

Rz. 32

Nach der Rspr. des BAG (22.9.2005 – 6 AZR 526/04) gilt die Regelung nur für Verschlechterungen aufgrund der Spaltung. Dies ist der Fall, wenn sie sich als unmittelbare Folge einer Spaltung darstellen. Mithin wird auf die Kausalität abgestellt, nachfolgende Entwicklungen werden von § 323 UmwG nicht erfasst und können sich durchaus nachteilig für den Arbeitnehmer auswirken. Wird z.B. ein abgespaltener Betrieb von dem neuen Rechtsträger später stillgelegt, ist eine Kündigung aufgrund der Stilllegung möglich (BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 526/04; Lutter/Joost, § 323 UmwG Rn 21). Unstreitig ist jedenfalls, dass § 323 Abs. 1 UmwG die Erhaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes trotz Absinkens der Beschäftigtenzahl unter die maßgebliche Grenze gewährleisten soll (BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 397/06; Lutter/Joost, § 323 UmwG Rn 2; MünchArbR/Wank, § 102 Rn 207). Dies führt nicht dazu, dass hinsichtlich der Sozialauswahl auf die Verhältnisse vor Wirksamwerden der Spaltung abzustellen ist; dies ist eine Tatsachenfrage, welche anhand der konkreten Gegebenheiten im jeweiligen Betrieb beurteilt wird (BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 526/04). Eine Sozialauswahl zwischen Arbeitnehmern des Betriebs des abgespaltenen Unternehmens und des Ursprungsbetriebes findet nur dann statt, wenn die Unternehmen nach der Spaltung weiterhin einen gemeinsamen Betrieb führen (BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 526/04; BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 954/94).

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