Fabian Triesch, Helmut Beckmann
Rz. 33
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich den Abschluss eines Aufhebungsvertrags angetragen, so liegt in dem bloßen Angebot per se nach der Dreisäulentheorie kein Rechtsverstoß.
Auch wenn ein solches Angebot mit dem allgemein gehaltenen Hinweis verbunden ist, dass anderenfalls die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, etwa aus betrieblichen Gründen, "in Erwägung gezogen" werden müsse, so ist auch darin ohne Weiteres noch keine Rechtsverletzung oder ein Pflichtenverstoß zu sehen. Ein solches Angebot eines Arbeitgebers mag bei dem betroffenen Arbeitnehmer den Wunsch nach anwaltlicher Beratung auslösen, da ihm etwaige Konsequenzen nicht unbedingt klar sein müssen, weil z.B. mit der Annahme eines derartigen Angebots durchaus auch Sperrfristen verbunden sein können. Allein der Wunsch nach Beratung ersetzt allerdings nicht den für die Versicherungsleistung erforderlichen Rechtsschutzfall.
Rz. 34
Anders ist es nach der Dreisäulentheorie auch nicht automatisch, wenn der Arbeitgeber für den Fall des Scheiterns einer einverständlichen Aufhebung seine Entschlossenheit zur Kündigung definitiv bekundet (Fall der Kündigungsandrohung).
Zu dieser Frage bestand früher eine unklare Meinungslage. So hatte es etwa das OLG Saarbrücken genügen lassen, die durch Vorlage eines Auflösungsvertrags nach außen gerichtete Haltung des Arbeitgebers, nicht mehr an einem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen, als Rechtsschutzfall anzusehen. Der BGH hat in seiner Entscheidung die Frage im Sinne der Dreisäulentheorie geklärt. Danach ist also eine nach außen gerichtete Haltung des Arbeitgebers nicht ohne Weiteres ausreichend.
Vielmehr gilt, wie oben ausgeführt, dass das Vorbringen des Versicherungsnehmers in der Hauptsache – und nicht etwa nur gegenüber dem Versicherer – (erstens) einen objektiven Tatsachenkern – im Gegensatz zu einem bloßen Werturteil – enthält, mit dem er (zweitens) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet, worauf er dann (drittens) seine Interessenverfolgung stützt. Auf die Schlüssigkeit, Substanziiertheit oder Entscheidungserheblichkeit des Vorwurfs kommt es nicht an.
Danach ist ein Rechtsschutzfall eingetreten, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in Bezug auf eine angedrohte Kündigung (erste Säule) vorwirft, er verstieße damit gegen seine Fürsorgepflicht oder sie sei aus sonstigen Gründen rechtswidrig (zweite Säule), und darauf seine Interessenwahrnehmung stützt (dritte Säule).
Zu beachten ist, dass der Versicherungsnehmer für das Vorliegen des Tatsachenkerns (erste Säule) darlegungs- und beweisbelastet bleibt. Danach kann der Versicherer im Deckungsprozess bestreiten, der Tatsachenkern, also z.B. das Gespräch oder der sonstige Kontakt, habe in der vorgetragenen – rechtswidrigen – Form überhaupt (z.B. in versicherter Zeit) stattgefunden. Kann dann der Versicherungsnehmer etwa durch Zeugenbeweis des Personalverantwortlichen oder andere den Beweis nicht führen, wird er beweisfällig bleiben, da er den Vollbeweis für das Vorliegen des Versicherungsfalles zu führen hat.
Der Entscheidung des BGH ist weiter zu entnehmen, dass der Eintritt eines Rechtsschutzfalls (im Einklang mit dem Wortlaut der Klausel – "Verstoß begangen hat") erst recht dann bejaht werden kann, wenn dem Arbeitnehmer für den Fall des Scheiterns einer Aufhebungsvereinbarung schon objektiv (und nicht nur vorgeworfen – zweite Säule) rechtswidrige Nachteile in Aussicht gestellt werden, die den Versicherungsnehmer in seiner versicherten Eigenschaft betreffen. Dies etwa, weil die angedrohte Kündigung selbst offensichtlich ungerechtfertigt wäre; aber auch wenn die Arbeitgeberseite sonstige unzulässige Pressionen unter Verletzung ihrer arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht ausübt, wie beispielsweise Mobbing) oder bei Gelegenheit des Aufhebungsangebots sonstige Verstöße gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vorkommen.
So entscheidet sich weiterhin je nach gegebener Einzelsituation und dem Vortrag in der dortigen Auseinandersetzung, ob ein Rechtsschutzfall bei (noch) nicht ausgesprochener Kündigung vorliegt oder nicht.
Diese Rechtsprechung hat auch der Ombudsmann für Versicherungen in mehreren Entscheidungen im Nachgang rezipiert. Jeweils war dem Arbeitnehmer ein Aufhebungsvertrag vorgelegt worden mit dem Hinweis, dass, sollte es zu keiner Einigung kommen, eine ansonsten unumgängliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werde müsse. Der Ombudsmann führt aus, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit das Angebot zum Abschluss eines Vertrages regelmäßig nicht den an einen Rechtsverstoß zu stellenden Anforderungen genügt. Anders wäre es z.B. zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages in eine solche Zwangslage versetzt hätte, dass er überhaupt keine freie Wahl mehr hatte, ob er den Vertrag – so wie vom Arbeitgeber angeboten – annimmt oder nicht. Eine solche Beurteilung scheidet jedoch dann aus, wenn ernsthafte Verhandlungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeb...