a) Allgemeines
Rz. 56
Die Pflichten des Spediteurs werden in ihrer Gesamtheit durch den Charakter des Speditionsvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag bestimmt. Drei Merkmale sind hierfür prägend:
Der Spediteur ist erstens als selbstständiger Geschäftsbesorger grundsätzlich frei in den Einzelheiten der Ausführung des Auftrags. Er wird gerade von Industrie und Handel als Verkehrsfachmann eingeschaltet, der die Gegebenheiten am Transportmarkt kennt und in der Lage ist, kostengünstige Transporte zu organisieren. Kennzeichnend für die Spediteurtätigkeit ist zweitens, dass er bei der Durchführung des Auftrags die Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen hat. Die Interessenwahrnehmungspflicht ist eine vertragliche Hauptpflicht, die insbesondere auch immer bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen zu berücksichtigen ist. Inhaltlich erstreckt sich dieser Grundsatz darauf, dass der Spediteur seine gesamte Tätigkeit und seine gesamten Maßnahmen bei der Durchführung und Abwicklung der ihm erteilten Aufträge auf das Interesse des Auftraggebers auszurichten hat. Bei einem Widerstreit zwischen seinen eigenen Interessen und denen des Auftraggebers gehen grundsätzlich die Interessen des Auftraggebers vor. Jedoch gilt dies nicht, wenn der Spediteur seine kraft Gesetzes oder auch durch die ADSp in seinem Interesse begründeten Rechte geltend macht, z.B. das Pfandrecht (§ 464 HGB, Nr. 20 ADSp 2017). Der Spediteur hat drittens bei seinen Tätigkeiten die Weisungen des Auftraggebers zu beachten. Diese Weisungen ergeben sich in der Regel aus den Angaben im Speditionsauftrag, sonstigen Versendungsunterlagen (Begleitpapiere, Lieferschein etc.) und sonstigen schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen. An Weisungen des Auftraggebers ist der Spediteur gebunden (§ 454 Abs. 4 HGB, Nr. 9 ADSp 2017). Nr. 9 ADSp 2017 gestattet dem Spediteur nur dann ein Abweichen, wenn die Weisungen nicht ausreichend oder unausführbar sind. Das Risiko aus der Befolgung von Weisungen trägt grundsätzlich der Auftraggeber.
Alle seine Pflichten hat der Spediteur mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns seiner Branche zu erfüllen, §§ 461 Abs. 2, 347 HGB. Er hat für die Kenntnisse und Fähigkeiten einzustehen, die ein ordentlicher Spediteur hat. Hierzu gehören Fachkenntnisse betreffend der Beförderungsarten, Beförderungswege und Beförderungsentgelte, hinsichtlich der Versicherung, der zollamtlichen Behandlung (Zoll, Steuer, Statistik) sowie des ausländischen Verkehrsrechts.
b) Abschluss von Frachtverträgen als Hauptpflicht
Rz. 57
Die Besorgung der Versendung durch den Spediteur umfasst vor allem die Pflicht zur Organisation der Beförderung, § 454 Abs. 1 HGB. Im Einzelnen setzt dies voraus:
(1) Auswahl des Beförderungsmittels, des Beförderungswegs, aber auch der Beförderungsart und Auswahl einer kostengünstigen Beförderungsmöglichkeit, insbesondere durch die Bildung von Sammelladungen;
(2) Auswahl der ausführenden Unternehmer und Abschluss der hierfür erforderlichen Verträge; hier steht insbesondere der Abschluss von Frachtverträgen im Vordergrund, angesprochen werden aber auch der Abschluss von Speditions-, Lager- und sonstigen Verträgen, die der Spediteur zur Organisation der Beförderung benötigt;
(3) Sicherungspflichten, z.B. Sicherung von Schadenersatzansprüchen.
c) Nebenpflichten – Speditionsrecht oder BGB-Vertragsrecht?
Rz. 58
Der Speditionsvertrag kann mit zahlreichen mit der Versendung des Gutes zusammenhängenden Nebenpflichten zusammenfallen. Nicht selten stellen gerade die Nebenleistungen einen Schwerpunkt speditioneller wie logistischer Leistungen dar.
Gerade hier wird dann der Charakter eines "Logistik"-Vertrags als typengemischter Vertrag deutlich. Sucht man hier einen Ansatzpunkt für eine Abgrenzung der Tätigkeiten, bietet es sich zunächst an, auf § 454 Abs. 2 HGB zurückzugreifen. Nach dieser Bestimmung unterfallen auf die Beförderung bezogene Leistungen dem Speditionsrecht, also solche Leistungen, die der Beförderung vor-, zwischen- oder nachgeschaltet sind oder die der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Beförderung dienen.
Welche Leistungen zählen hierzu? Das Gesetz nennt beispielhaft die Verpackung und Kennzeichnung von Gütern, die Verzollung und Versicherung des Gutes. Weitere Beispiele sind: Be- und Entladetätigkeiten, Ausstellen und Beschaffen von Transportdokumenten, Durchführung von Warenkontrollen (Quantitätskontrolle), Gestellung von Lademitteln, wie z.B. Paletten, Container.
In gleicher Weise kann man bestimmte Nebentätigkeiten dem Lagergeschäft zuordnen, z.B. Ausstellen von Urkunden, Vermittlung von Versicherungen, Besorgung und Ausführung des Umschlags und bestimmte Behandlungen der Ware (Verwiegen, Signieren, Etikettieren usw.).
Dagegen wird man davon auszugehen haben, dass diejenigen Tätigkeiten, die zwar noch im Verlauf der Transportabwicklung erbracht werden, aber der Produktion von und dem Handel mit Gütern dienen, nicht unter das gesetzliche Speditions- (oder Lager-)Recht subsumiert we...