I. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
Ein Speditions- und Transportunternehmen aus Passau, welches überwiegend die Beförderung von Waren für Versandhäuser organisiert, hat in den letzten Jahren seinen eigenen Fuhrpark erheblich reduziert. Zukünftig möchte es für Beförderungen nur noch fremde Frachtführer aus Deutschland und dem benachbarten Ausland einsetzen. Das Speditionsunternehmen bittet seinen Rechtsanwalt, für die dauernde Zusammenarbeit mit den Frachtführern einen Rahmenvertrag zu entwerfen, der auf die bestehende europäische Marktordnung im Güterverkehr, die Problematik des Mindestlohns und der sog. Scheinselbstständigkeit Rücksicht nimmt. Darüber hinaus soll in den Vertrag eine Kundenschutzklausel aufgenommen werden, da das Unternehmen Vorsorge treffen will, dass die eingesetzten Frachtführer nicht Kunden abwerben. Da die Spediteurkunden im Versandhandel überwiegend eine Haftung bis 40 SZR/kg verlangen, möchte das Speditionsunternehmen eine inhaltsgleiche Vereinbarung mit den Frachtführern treffen. Schließlich soll berücksichtigt werden, dass die Frachtführer für die Versandhäuser auch Nachnahmen bei deren Privatkunden kassieren sollen.
II. Aufgaben des Frachtführers
Rz. 2
Nach § 407 HGB wird der Frachtführer durch den Frachtvertrag verpflichtet, Güter zu befördern und an den/die Empfänger abzuliefern. Die Betonung liegt auf der Ausführung der Beförderung. Darin unterscheidet sich der Frachtführer vom Spediteur, der – abgesehen von den vielfältigen anderen speditionellen und weitergehenden "logistischen" Leistungen – nach § 453 HGB Güterversendungen durch Frachtführer besorgt. Die Abgrenzung ist im Einzelfall oft schwierig, zumal viele Verkehrsbetriebe Gemischtbetriebe sind, die sowohl Speditions- als auch Beförderungsleistungen auf der Straße erbringen. Insofern ist immer vom Anwalt zu prüfen, ob der Abschluss eines Frachtvertrags, in welchem sich eine Vertragspartei gegenüber der anderen verpflichtet, eine Beförderungsleistung durchzuführen, gewollt ist oder der Abschluss eines Speditionsvertrags, bei dem die Organisation dieser Beförderungsleistung im Vordergrund steht.
Rz. 3
Schaut man sich das Frachtrecht allgemein an, fällt auf, dass das Frachtrecht national weitgehend vereinheitlicht, international aber zersplittert ist. Die §§ 407 ff. HGB gelten für alle Transporte mit Ausnahme des Seefrachtrechts (§§ 476 ff. HGB), während international jeder Verkehrsträger, wie Bahn, Lkw, Schiff oder Flugzeug, sein spezielles Frachtrecht kennt.
III. Marktordnung im Straßengüterverkehr
Rz. 4
Der Straßengüterverkehr unterliegt der staatlichen Regulierung im Hinblick auf die Marktzugangsvoraussetzungen. Danach ist der Güterkraftverkehr erlaubnispflichtig, wenn die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen (Pkw wie Lkw) erfolgt, die einschließlich Anhänger ein höheres zulässiges Gesamtgewicht als 3,5 t haben, § 1 Abs. 1 GüKG.
Rz. 5
Das GüKG unterscheidet zwischen gewerblichem Verkehr und Werkverkehr. Gewerblicher Verkehr ist jede Beförderung von Gütern mit einem Kraftfahrzeug für andere. Werkverkehr ist jede Beförderung von Gütern für eigene Zwecke. Darüber hinaus sind bestimmte Verkehre freigestellt, § 2 GüKG.
1. Erlaubnis
Rz. 6
Voraussetzung zur Durchführung gewerblicher Güterbeförderungen mit Fahrzeugen über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht ist der Besitz einer Erlaubnis (§ 3 GüKG). Diese wird dem Frachtführer für seine Person zunächst für die Dauer von bis zu zehn Jahren, sodann zeitlich unbeschränkt erteilt, sofern der Unternehmer zuverlässig, fachlich geeignet und finanziell leistungsfähig ist. Sind diese in der Person des Frachtführers liegenden subjektiven Voraussetzungen erfüllt, so ist dem Unternehmer die Erlaubnis zu erteilen. Die Erlaubnis berechtigt den Frachtführer zur Durchführung von Güterbeförderungen. Der Erlaubnisinhaber erhält auf Antrag neben der Erlaubnis so viele Erlaubnisabschriften, wie ihm Fahrzeuge zur Verfügung stehen und für deren Betrieb die erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit gegeben ist. Daneben dürfen alle Unternehmer aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (also alle EU-Staaten – auch Deutschland – sowie Island, Liechtenstein und Norwegen), wenn sie eine EU-Lizenz (Gemeinschaftslizenz) haben, im Inland Güterkraftverkehr (Kabotage) betreiben, Art. 8 VO (EG) Nr. 1072/2004 bzw. § 17a GüKGrKabotageV. Unter Kabotage versteht man dabei konkret den zeitweiligen innerstaatlichen Güterkraftverkehr durch gebietsfremde Unternehmer, die in einem anderen EU-/EWR-Staat niedergelassen sind (vgl. VO (EG) Nr. 1072/2009).
Da das zu beratende Speditionsunternehmen auch Frachtführer aus dem benachbarten Ausland einsetzen möchte, ist Folgendes zu beachten:
2. Grenzüberschreitender Verkehr
Rz. 7
Die vorher dargestellte Systematik gilt grundsätzlich für nationale wie grenzüberschreitende Verkehre. Für den Bereich des grenzüberschreitenden Verkeh...