I. Typischer Sachverhalt
Rz. 44
Ein Handelsunternehmen möchte seine eigene Versandabteilung schließen und die gesamte Distributionslogistik einem Speditionsunternehmen als Logistikdienstleister übertragen. Das Handels-/Speditionsunternehmen bittet um anwaltlichen Rat, wie eine längerfristige Zusammenarbeit vertraglich gestaltet werden könnte. Dem Anwalt wird mitgeteilt, dass das Speditionsunternehmen im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit alle Tätigkeiten von der Auftragsannahme (Call-Center), die gesamte Versand- und Zollabwicklung, die Lagerbewirtschaftung, die Warenbehandlung u.a., teilweise den Einbau von Decodern in Unterhaltungselektronik bei Fernostimporten, das Beifügen deutschsprachiger Gebrauchsanleitungen bis hin zur Verteilung der Ware an die Kunden des Handelsunternehmens bundesweit übernehmen soll sowie auch für die Rückführung, Wartung und Reparatur der eingesetzten Mehrwergverpackungen sorgen und schließlich die Rechnung für das Handelsunternehmen an dessen Kunden erstellen soll. Zugleich soll der Anwalt prüfen, welche Versicherungsmöglichkeiten bestehen, das Lager- und Transportrisiko abzusichern.
II. Aufgaben des Spediteurs
Rz. 45
Es gehört zu den Aufgaben des Spediteurs, für Industrie und Handel den Transport von Gütern zu organisieren und dadurch Transportkosten und -risiken gering zu halten. Der Spediteur berät seine Kunden in allen Transportfragen, hilft bei der Vorbereitung, beschafft Beförderungsleistungen und organisiert komplexe Transportabläufe. Er kümmert sich um Formalitäten und Dokumente und hilft seinem Auftraggeber bei der Zahlungsabwicklung. Das Leistungsangebot ist vielfältig, es bezieht sich heute nicht nur auf den Transport von Gütern, sondern immer mehr auf die Erbringung logistischer Leistungen, bei denen der Spediteur im Wege der Arbeitsteilung für Handel und Industrie alle mit der Produktionsplanung, Zulieferung, Vorratshaltung und Warendisposition zusammenhängenden Aufgaben übernimmt.
III. Rechtliche Grundlagen
1. Definition des Speditionsvertrags
a) Gesetz
Rz. 46
Der Spediteur wird in § 453 HGB als ein Geschäftsbesorger definiert, der die Versendung des Gutes besorgt. § 454 HGB enthält eine nähere Definition der vertraglich geschuldeten Pflichten. Nach § 454 Abs. 1 HGB schuldet der Spediteur als vertragliche Hauptpflicht stets die Organisation des Transports, die die Bestimmung des Beförderungsmittels und -weges, die Auswahl der ausführenden Unternehmer, den Abschluss der für die Versendung erforderlichen Verträge, die Erteilung von Informationen und Weisungen an die ausführenden Unternehmer und die Sicherung von Schadenersatzansprüchen umfasst. Der Spediteur hat bei der Erbringung seiner Speditionsleistungen das Interesse des Versenders wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen, § 454 Abs. 4 HGB. Die gesamte Versendung der Waren an die Kunden des Handelsunternehmens wird hiervon erfasst.
Darüber hinaus fallen auch weitere auf die Beförderung bezogene Leistungen unter das gesetzliche Speditionsrecht, wenn die Vertragsparteien die Erbringung dieser Leistungen vereinbart haben, § 454 Abs. 2 HGB. Im Ausgangsfall zählt hierzu die Durchführung von Verzollungen, Maßnahmen der Warenbehandlung wie transportgerechtes Verpacken und Kennzeichnen. Soweit der Spediteur weitergehende Leistungen erbringt, die nicht auf die Beförderung abzielen, findet das gesetzliche Speditionsrecht keine Anwendung mehr.
b) ADSp
Rz. 47
Von dem gesetzlichen Spediteurbegriff ist der "berufsständische" zu unterscheiden, der den ADSp zugrunde liegt. Nach Ziff. 2.1 ADSp 2017 gelten die ADSp für Verkehrsverträge des Spediteurs in seiner Stellung als Auftragnehmer. Sein Vertragspartner wird als Auftraggeber bezeichnet. Verkehrsverträge sind nach der Begriffsbestimmung in Ziff. 1.14 ADSp 2017 Verträge des Spediteurs über alle Arten von Tätigkeiten, die üblicherweise zum Speditionsgewerbe gehörende Geschäfte betreffen. Dies sind nicht nur Güterversendungen i.S.v. § 453 HGB, sondern auch Fracht- und Lagerverträge sowie damit verbundene Nebentätigkeiten, wie Zollabwicklung, Sendungsverfolgung, Umschlag, Erhebung von Nachnahmen, die Besorgung der für die Güterabfertigung notwendigen Dokumente, Verwiegung, andere Mengenfeststellungen, Verpackung, Musterziehen, Verladen und Entladen von Gütern, sowie das Besorgen von Gütertransport- und anderen Sachversicherungen. Hierzu zählen auch logistische Tätigkeiten, wenn diese speditionsüblich sind und mit der Beförderung oder Lagerung in Zusammenhang stehen, wie die Bildung von Ladeeinheiten, Kommissionieren, Etikettieren, Verwiegung von Gütern und Retourenabwicklung. Dies trifft im Ausgangsfall auf das Beifügen deutschsprachiger Gebrauchsanweisungen zu, nicht jedoch auf den Einbau von Decodern in Unterhaltungselektronik.