Rz. 23

Im Straßengüterverkehr kommen häufig Einzelunternehmer, sog. selbstfahrende Unternehmer zum Einsatz. Jeder Anwalt muss in diesen Fällen bei der Gestaltung eines Frachtvertrags auch die Problematik der sog. Scheinselbstständigkeit beachten und gemeinsam mit seinem Mandanten erörtern, ob hierfür Anhaltspunkte vorliegen. Für die hier vorzunehmende Abgrenzung gilt der Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Abgrenzungskriterien. Darüber hinaus kann zur Prüfung der Rechtslage auf ein Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung[21] und das Handbuch "Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung im Bereich des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes"[22] zurückgegriffen werden. Vorbeugend sollte der Anwalt mit seinem Mandanten erörtern, ob es zweckmäßig ist, eine verbindliche Auskunft der Sozialversicherungsträger nach § 7a SGB IV, § 15 SGB I über den Status des Frachtführers einzuholen.

Die Frage der Abgrenzung zwischen selbstständiger und abhängiger Beschäftigung kann neben sozialrechtlichen auch arbeitsrechtliche (z.B. Kündigungsschutz),[23] steuerrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen auslösen.

Erst wenn festgestellt ist, dass der Kriterienkatalog nicht eingreift bzw. dass die Kriterien eindeutig zu widerlegen sind und damit keine "scheinselbstständige" Tätigkeit vorliegt, stellt sich die Frage nach einer einwandfreien Gestaltung des Frachtvertrags. Denn es kann nicht Ziel der anwaltlichen Beratung sein, mittels geschickter Vertragsgestaltung das Vorliegen von "Scheinselbstständigkeit" zu verschleiern.[24]

Die Vorlage des Frachtvertrags kann als Nachweis zur selbstständigen Beschäftigung dienen. Bei diesem Weg hat der Anwalt aber darauf zu achten, dass sein Mandant und er sich über die tatsächliche Handhabung der Vertragsabwicklung klar werden. Denn gerade im Hinblick auf die Problematik der Scheinselbstständigkeit kommt es nicht entscheidend auf das ausgestaltete Vertragswerk, sondern auf die tatsächlich gelebte Vertragspraxis an. Vertragstext und -abwicklung müssen übereinstimmen.[25]

Der Vertragsgegenstand sollte möglichst genau beschrieben werden, da es grundsätzlich für eine "scheinselbstständige" Tätigkeit spricht, wenn die zu erbringenden Dienstleistungen nur rahmenmäßig umschrieben, nicht jedoch konkret festgelegt wurden. Denn nur so kommt zum Ausdruck, dass der Vertragspartner nicht nur seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, sondern eine erfolgsorientierte Dienstleistung schuldet.[26]

Im Vertrag können auch die Punkte angesprochen werden, die die Unternehmerstellung des Frachtführers dokumentieren, z.B. ob der Unternehmer im Besitz der erforderlichen Erlaubnis nach dem GüKG ist, weil dies ein Indiz für die Selbstständigkeit des Frachtführers ist.[27]

Der Frachtführer sollte zum einen das Recht haben, seinerseits Hilfspersonen einzusetzen, zum anderen die Freiheit haben, Einzelaufträge auch ablehnen zu können.[28] Im Rahmen von § 362 HGB ist der Frachtführer dann jedoch gehalten, dies dem Spediteur unverzüglich mitzuteilen.

Als weiteres Problem könnte auftauchen, dass Frachtführer, die ursprünglich mehrere Arbeitnehmer beschäftigten, während der Laufzeit des Vertrags – abhängig von der Auftragslage – nunmehr keine weiteren vollbeschäftigten Arbeitnehmer beschäftigen. Damit der Spediteur die hieraus erwachsenden Risiken erkennen kann, sollte eine entsprechende Hinweispflicht für den Frachtführer im Vertrag begründet werden.

 

Rz. 24

Bei der Auftragsabwicklung ist darauf zu achten, dass der Frachtführer in eigener Verantwortung die von ihm geschuldeten Leistungen erbringt. Deshalb sollten in dem Vertrag nur solche Punkte geregelt werden, die der Spediteur im Hinblick auf den Beförderungserfolg im Rahmen der ihm obliegenden Organisation des Transports für unerlässlich hält. Insbesondere ist darauf zu achten, dass der Spediteur gegenüber dem Frachtführer nur das ihm zustehende "frachtvertragliche" Weisungsrecht (§§ 418, 454 HGB) und nicht das Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausübt, welches inhaltlich für eine "scheinselbstständige" Tätigkeit sprechen würde. Pauschal lässt sich sagen, dass das frachtvertragliche Weisungsrecht auftragsbezogen (im Hinblick auf den Beförderungserfolg), das Arbeitgeberweisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert ist. Letzteres enthält Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass in zeitlicher Hinsicht keine Bindung des Frachtführers an feste "Arbeitszeiten" gegeben ist und in räumlicher Hinsicht der Frachtführer nicht auf die Betriebsorganisation und die Zusammenarbeit mit der Belegschaft des Spediteurs angewiesen ist. Ebenso sollten Kontrollrechte des Spediteurs überhaupt nicht geregelt, jedenfalls möglichst geringgehalten werden. Allerdings kann es hier im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung zum groben Organisationsverschulden[29] zu "Konflikten" kommen, da der BGH nicht nur eine Kontrolle des eigenen, ...

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